Der Hunger nach Austausch wächst

Editorial

Wenn Menschen in diesen Zeiten gefragt werden, was ihnen am meisten fehlt, antworten viele: Die Begegnungen mit anderen Menschen. Erst unter den Bedingungen von Lockdown und Homeoffice wird uns offenbar klar, wie sehr wir auf die gemeinsame Zeit mit anderen angewiesen sind. Wir sind nicht gerne alleine, nicht gemacht dafür, nur mit uns selbst zu sein. Dabei geht es nicht nur um die prägenden, manchmal lebensverändernden Begegnungen. Es sind eher die beiläufigen, alltäglichen Begegnungen zwischen Tür und Angel, die wir als Kennzeichen eines normalen Lebens schmerzlich vermissen. In der humanistischen Psychologie gilt Begegnung als fundamentaler Bestandteil für die Entwicklung der Person. Man könnte sagen, unsere ganze Existenz entfaltet sich in Begegnungen. Auf der anderen Seite lebt jeder Mensch vereinzelt und bleibt auf sich selbst zurückgeworfen. So ist er auch der Gefahr von Vereinsamung und Stillstand ausgesetzt. Genau dies wird derzeit deutlicher als sonst empfunden. Der Hunger nach Austausch und Verbindung wächst.
Doch wer begegnet sich eigentlich in einer Begegnung? Zumindest zwei sind nötig: Ein Ich, das einem Du gegenübertritt. Und wenn das Ich auf das eingeht, was sowohl den anderen als auch es selbst bewegt, entsteht ein gemeinsames Thema, ein gemeinsamer Sinn und manchmal entstehen daraus sogar Beziehungen, in denen auch gegenseitige Verantwortung wächst. Das ist auch der Grund, warum antonius so großen Wert auf Begegnungen legt. Wir haben für dieses Heft mit Godehard Brüntrup, einem Jesuitenpater und Philosophieprofessor, über Begegnung gesprochen. Eine gute Gelegenheit, den aufgeworfenen Fragen noch ein wenig nachzusinnen. Suria Reiche hat Fuldaer Wirte in ihren leeren Kneipen aufgesucht und deren Enttäuschung aufgezeichnet. Wir haben Zeitgenossen gefragt, wie es ihnen im Homeoffice ergeht, aber auch mit einem Unternehmer darüber gesprochen. Arnulf Müller erinnert sich an den Besuch von Horst Köhler bei antonius, besonders auch an die Art und Weise, wie der damalige Bundespräsident seine Kurzbegegnungen gestaltet hat. Und nicht zuletzt ist Alicia Mathes der Frage nachgegangen, wie inklusiv Fulda – die inklusivste Stadt Deutschlands – in Wirklichkeit ist. Und für den Fall, dass Sie nicht wissen, was Sie nach der Pandemie als Erstes machen wollen, haben wir uns einige Vorschläge ausgedacht. Wie immer viele Gelegenheiten zum Wechseln der Seite.

Ihr Hanno Henkel
mit dem Redaktionsteam

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