Essengehen beim ersten Date – Das kann doch nur schiefgehen, oder?

von Suria Reiche

Wir essen, um zu überleben, um unseren Körper mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen, manchmal, um uns zu belohnen, auch mal, weil uns schlichtweg langweilig ist – vor allem aber, wenn der Bauch knurrt. Dennoch ist die Sache mit dem Essen nicht immer so einfach, vor allem, wenn man es in Gemeinschaft tut. Besonders heikel ist es beim ersten Date, wenn man sein Gegenüber noch gar nicht so genau kennt. Ein Blick durchs Schlüsselloch.

Das erste Mal sahen sich die beiden in einer Kneipe. Er zog mit seinen Kumpels von der Freiwilligen Feuerwehr um die Häuser und irgendwie kamen sie ins Plaudern. Das muss ein verantwortungsvoller Typ sein, dem Menschenleben am Herzen liegen, dachte sie. Zwei Tage später – nach der dritten SMS – sagte sie zu, als er sie fragte, ob sie am folgenden Freitag zusammen essen gehen wollten. „Klar, wohin denn?“, fragte sie und er antwortete, dass er ihr freizügig die Wahl des Restaurants überlasse. Eigentlich wollte sie einen Mann, der die Zügel in die Hand nahm und selbst Entscheidungen treffen konnte. „Dann zum Italiener am Ende der Straße“, antwortete sie dennoch. Und er: „Da war ich noch nie. Ich gehe eigentlich selten in so schicke Dinger.“ Okay, auch das ließ sie ihm durchgehen.Vielleicht war er ja von der bodenständigen Sorte und kochte abends lieber selbst. Wer wusste das schon? Am Freitagabend in ihrer hübschen roten Bluse beim Italiener angekommen, war er pünktlich. „Mann, hab‘ ich ‚nen Hunger“, sagte er, seine Hände in den Taschen der Bluejeans vergraben. Er scheint tatsächlich eher selten das Haus zu verlassen, um schick essen zu gehen, dachte sie nach einem Blick auf die an den Knien ausgebeulte Hose. Trotz ihres Vorbehalts grinste sie und nickte zustimmend. Das Outfit war schließlich nicht alles, auch wenn sie selbst mehr als eine Stunde lang vorm Spiegel gestanden hatte, bevor ihre Wahl auf die Bluse und die schwarze Röhrenjeans gefallen war. Der Tisch, den sie im Vorfeld reserviert hatte, war am Fenster des Lokals gelegen, und als der Kellner den beiden die Speisekarte brachte und fragte, ob sie einen Aperitif wollten, nickte er und sagte: „Ich würd‘ ein Bier nehmen, und du?!“ Bier ist auf keinen Fall ein Aperitif, dachte sie, schloss sich ihm dann aber an. „Okay, ich nehm‘ auch eins.“ Das Bier kam, das Gespräch war nett. Sie redeten über ihre Familien, die Arbeit, seine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr und schielten nebenbei in die Speisekarten. Als der Kellner schließlich kam, bestellte sie einen Salat. Dass er mit den Augen rollte und selbst Pizza mit Salami bestellte, übersah sie wohlwollend. Dass er das Besteck ignorierte und seine Pizza mit der Hand aß, stieß ihr jedoch sauer auf. Schließlich war das doch ein Restaurant der schickeren Sorte. Eines, in dem man seine fettigen Hände ebennicht an der Hose abstreifte, nachdem man das erste Stück Pizza innerhalb einer halben Minute verdrückt und dabei mit vollem Mund gesprochen hatte. Sie selbst hatte gerade erst die Gurken von ihrem Salat gepickt und bedächtig gekaut. Wollten wir nicht essen gehen?, dachte er beim Blick auf ihren vollen Teller und trank einen großen Schluck Bier. Eine Sache, die sie die Mundwinkel kräuseln ließ. Sie selbst nippte an ihrem Glas, nachdem er ihr mit Salamistücken zwischen den Zähnen zugeprostet hatte. Hätte sie ihm sagen sollen, dass sein halber Pizzabelag in seinen Zahnlücken hing? Sie schluckte die Worte hinunter und hoffte, dass er bis zur Verabschiedung selbst darauf gekommen war. Immerhin war er ja mittlerweile beim zweiten Bier angekommen, das er dem Kellner mit gierigem Blick vom Tablett gerissen hatte. So, wie er es im Mund hin und her schwappen lies, musste es doch eigentlich alle Speisereste aufnehmen und die Speiseröhre hinunterspülen. Tat es nicht. Vielleicht hätte es der Espresso geschafft, den der Kellner ihnen beim Abräumen der Teller anbot. Aber er verneinte und ignorierte ihren freudigen Blick. „Ich nehm‘ lieber noch einen Absacker. Kräuter oder was Süßes?“ Für sie nichts – für ihn wurde es beides. „Dann mal Prost“, rief er und kippte  erst den bitteren, dann den süßen Schnaps hinunter.



Na ja, dann würde er aus dem Mund wenigstens nach Alkohol und nicht nach Salami riechen. „Tja, dann fragen wir mal nach der Rechnung, oder?“, hoffte sie, während er die Karte studierte. Sein Blick deutete das Gegenteil an. „Also, ich würd‘ noch was trinken. Und vielleicht noch einen Nachtisch?“ Ihm schien das Date zu gefallen. Deswegen orderte er beim Kellner auch sofort einen Schokopudding, ohne auf ihre Antwort zu warten. Wenn er den so schnell futtert, wie die Pizza, dann habe ich es bald geschafft, dachte sie. Doch nie hatte sie damit gerechnet, dass man nach einem Schokopudding aussehen konnte, als hätte es im Lokal Schlamm geregnet. Sein weißes Hemd war nach kurzer Zeit über und über mit Schokospritzern versehen und ihr Gesicht glich inzwischen einer roten Tomate.
„Ich frag‘ mal nach der Rechnung“, sagte sie schnell, bevor es noch peinlicher werden würde. „Ich fand das Date total schön“, sagte er, als der Kellner die Rechnung auf den Tisch gelegt hatte, „deswegen würd‘ ich dich gern einladen.“ Während er das sagte, schaute er an sich runter und versuchte schnell, einen braunen Fleck von seinem weißen Hemd zu wischen. Und irgendwie sah er süß dabei aus. So peinlich berührt. „Hm“, antwortete sie, „vielleicht gehen wir beim nächsten Mal einen Kaffee trinken.“

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