Ist das sinnvoll, Herr Minister?

Wir trafen Tarek Al-Wazir am Stehtisch, als er zur Einweihung der Biogasanlage auf dem antonius Hof anwesend war.

Bevor der Minister seine Kartoffelsuppe bekam, musste er zunächst ein paar Fragen zum Thema „Arbeit“ beantworten. Erst die Arbeit eben. Das hat er eingesehen.

SeitenWechsel: Herr Al-Wazir, Sie sind nicht Arbeits-, sondern Wirtschaftsminister. Trotzdem die Frage: Hier auf dem antonius Hof werden Menschen mit Behinderung für eine Arbeit in der Landwirtschaft vorbereitet. Der Übergang in einen regulären Betrieb ist aber oft schwierig. Ist es überhaupt sinnvoll, Inklusion in Kindergarten und Schule zu fordern, wenn es nachher keine Regelungen für den Arbeitsmarkt gibt?

Al-Wazir: Ich glaube schon, dass das sinnvoll ist, weil wir dadurch die Herangehensweise der Gesellschaft ändern. Wir machen es selbstverständlicher, dass Menschen mit Handicap Teile der „normalen“ Gesellschaft sind. Je früher wir anfangen, Behinderungen als Normalität zu betrachten – also vom Kindergarten über die Schule zur Ausbildung – um so einfacher wird es auch, Arbeitgeber zu überzeugen, dass das eigentlich normal ist. Natürlich fangen Firmeninhaber oder Handwerker dann an zu rechnen: „Wenn ich den ganz normal bezahle, muss er ja auch genauso viel leisten wie alle anderen. Kann er das überhaupt?“ Ich sage an diesem Punkt immer: Es kann sein, dass diese Menschen am Anfang nicht 100 % dessen bringen, was andere leisten. Aber wer ihnen die Chance gibt, wird mit absolut loyalen, fest an den Betrieb gebundenen Mitarbeitern belohnt. Die wechseln sicher nicht nach drei Jahren zur Industrie, weil sie dort ein paar Euro mehr bekommen. Natürlich muss da noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, aber es gibt schon ganz positive Beispiele.

SeitenWechsel: Sie denken also nach dem Motto: Irgendwann sind die Inklusionsschüler von heute die Arbeitgeber von morgen?

Al-Wazir: So ist es! Wer Mitschüler mit einer Behinderung in der Klasse hatte, weiß als Arbeitgeber, dass vieles, bei dem man am Anfang Berührungsangst hatte, normal sein kann und ein selbstverständlicher Teil des Lebens ist.

SeitenWechsel: Mein Name ist Andreas Sauer. Ich arbeite seit elf Jahren bei antonius als Landschaftsgärtner. Ich wohne in Flieden bei meinen Eltern. Herr Al-Wazir, ich möchte irgendwann in einem normalen Betrieb arbeiten und eine eigene Wohnung mieten. Bekomme ich dann auch meinen Mindestlohn?

Al-Wazir: Beim Mindestlohn gibt es in den Betrieben keine Ausnahmen. Aber Achtung: Weil diese Betriebe allen Angestellten dasselbe bezahlen müssen, haben wir bei sozialen Betrieben, also bei solchen, die gefördert werden, Ausnahmen gemacht. Sonst wären diese nicht konkurrenzfähig. Das finde ich auch richtig. Umso besser natürlich, wenn Sie das Ziel haben, irgendwann mal in einen Betrieb zu gehen, der nicht in irgendeiner Form eine soziale Einrichtung ist. Dann würden sie natürlich auch den Mindestlohn bekommen. Ich finde das toll, dass Sie sich so ein Ziel gesetzt haben!

SeitenWechsel: Wie viele Menschen mit Behinderungen arbeiten denn bei den Grünen?

Al-Wazir: Wir haben durchaus einige. Ein Beispiel ist Andreas Jürgens, der mal mit mir zusammen Landtagsabgeordneter war und jetzt beim Landeswohlfahrtsverband ist. Er hat Glasknochen und sitzt seit seiner Geburt im Rollstuhl. Das war übrigens toll mit ihm, denn da haben wir alle viel über Barrierefreiheit gelernt. Der Landtag musste auch umgebaut werden, und davon profitieren heute alle Besucher, nicht nur Rollifahrer, sondern zum Beispiel alle, die einen Kinderwagen schieben.

SeitenWechsel: Herr Al-Wazir, wir möchten Ihnen noch unser SeitenWechsel-Magazin schenken, damit es weitergeht mit der Inklusion!

Al-Wazir: Toll, dann habe ich jetzt auf der Fahrt nach Berlin gleich etwas zu lesen. Danke!

SeitenWechsel: Wir danken Ihnen.

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