Partnerbetriebe von antonius

Well done!

von Arnulf Müller

„Nachdem der junge Mann im Car Wash angefangen hatte, kam er zur Preload Operation. In Part Time. Aktuell ist er in der Reload Operation. Läuft super!“ Aus dem Munde von Raul Daut, dem Leiter der UPS-Niederlassung in Eichenzell, perlt der Logistik-Talk wie Muttersprache. Verstohlen schiele ich auf das Aufnahmegerät – gottlob, es zeichnet auf.

 

Projektpartner Raul Daut

Projektpartner Raul Daut

 

 

 

Es ist Vorweihnachtszeit, aber wir sprechen nicht über die Peak Season, nicht über die jährlich wiederkehrende Paketflut. Wir sprechen über einen jungen Mann, der beim US-amerikanischen Paketdienstleister sein Glück versucht. Der trotz Lernschwierigkeiten eine reguläre Vollausbildung anvisiert, obwohl ihm das Arbeitsamt die „Ausbildungsreife“ abgesprochen hat. Das ist ambitioniert. Denn das Fernziel ist die vollständige Abnabelung von antonius: ein Leben ohne Sonderstatus, konsequent auf eigenen Füssen, privat, beruflich, wirtschaftlich.

Damit das Projekt nicht floppt, kooperieren antonius und UPS eng. Im mehrmonatigen Praktikum wird der Mitarbeiter nicht geschont. Mit Vollgas befüllen die Teams frühmorgens die kastigen Vans (Preload). Es folgt die Zustellung. Abends werden die Fahrzeuge, die unterwegs immer auch Pakete einsammeln, dann entladen, wobei das Frachtgut zur weiteren Verteilung in Container gestapelt wird (Reload). UPS gibt dem jungen Mann die nötige Zeit, um herauszufinden, ob Logistik etwas für ihn ist. Ob er darin die Chance seines Lebens erkennt. „Hier ist es erlebnisreich", sagt Daut. „Es herrscht ein ehrlicher, rauer Ton, da kommt er gut mit klar.“ antonius coacht den Praktikanten und stabilisiert ihn, wenn nötig. Im täglichen Miteinander mit den Kollegen spielt sein besonderer Hintergrund längst keine Rolle mehr. Gemeinsames Arbeiten beseitigt Barrieren.

Warum UPS das macht, will ich wissen. Pakete schleppen, klar, passt für Menschen mit Lernschwierigkeiten, denke ich. Der typische Hilfsarbeiter eben. „Dumm, stark, wasserdicht“, schießt es mir durch den Kopf. Doch als Raul Daut über die KEP-Ausbildung spricht, wird klar: Die alten Bilder gehören in die Tonne. Zumal es nicht um Hilfsarbeit geht. KEP – das steht für Kurier, Express und Paket. Wer bei UPS eine KEP-Ausbildung beginnt, muss sich nicht nur an interne Keywords gewöhnen. Er muss sich in ein eng definiertes Gefüge einfinden. Logistik ist Maßarbeit – das System ist alles. Natürlich ist der feste Rhythmus für Menschen mit Lernschwierigkeiten hilfreich. Dennoch ist eine KEP-Ausbildung kein Pappenstil. Sie umfasst nicht nur das Be- und Entladen sowie die Paketzustellung, sondern auch die kluge Planung von Zustellrouten, die Feinsortierung der Sendungen, Abrechnungen und Kassiervorgänge, den korrekten Umgang mit Frachtpapieren, Reklamationsabwicklung und Kundenberatung vor Ort.

 

UPS und antonius: Gemeinsam Dritten helfen

UPS und antonius: Gemeinsam Dritten helfen

 

 

 

Und selbst wenn die Leistung in der Praxis stimmt, bleiben zwei Hürden: Führerschein und Berufsschule. Beides ist unabdingbar, beides hat mit Theorie, also mit Lernen zu tun. Raul Daut und seine Mitstreiter wissen das. Besonders die Berufsschule bereitet ihnen Kopfzerbrechen, zumal der Azubi dafür nach Frankfurt muss und in der Gruppe dann einer der Älteren sein wird. Da werden sie ein Auge drauf werfen müssen. Aber wenn er echten Willen entwickelt, wird er das schaffen. Beim ersten Bewerber im letzten Jahr war das nicht der Fall. Am Ende des Praktikums sagte er entschieden: „Das ist nichts für mich!“ Dieses Mal sieht die Sache deutlich besser aus.

Dass sich UPS auf eine zeitintensive Einzelförderung einlässt, erklärt sich aus der gewachsenen Verbindung zu antonius. Normalerweise gehen Arbeitgeber ein solches Risiko nicht ein. „Würde ich gerne, aber bei uns im Betrieb ist das schwierig“, sagen sie und malen sich aus, wie so ein einzelner „Problemmensch“ ihr schönes Betriebsgefüge sprengt.

UPS ist mit seiner Gemeinwohlstrategie modern aufgestellt. Community Involvement wird wörtlich verstanden: In jeder Kommune, in der die Firma eine Niederlassung unterhält, bringt sich die Belegschaft handfest ein. Fehlt beim Kindergarten Geld für nötige Malerarbeiten, jonglieren die Mitarbeiter an einem Samstag statt mit Paketen mit Pinsel und Farbrolle. Alle solcherart geleisteten Sozialstunden können über die UPS Foundation, den karitativen Arm von UPS, noch einmal finanziell vergütet werden, d. h., für jede geleistete Personenstunde wird ein bestimmter Betrag gutgeschrieben, der dann idealerweise an diesem oder gegebenenfalls an einem anderen Ort gespendet wird. So erzielt jeder Mitarbeiter, während er sich engagiert, doppelten Gewinn. Entsprechend entschlossen gehen die Männer zu Werke. Das ist näher am Menschen, als am Jahresende nur den Scheck hinzuschicken.

Als UPS erstmals für antonius aktiv war, handelte es sich um eine ähnliche Aktion: Der Garten der Wohngemeinschaft Sturmius wurde in Schwung gebracht. Ein Jahr später gab es einen Spieletag und bald darauf einen gemeinsamen Sicherheitstag in der UPS-Niederlassung. Durch die vielen Sozialstunden, die in 2014 erwirtschaftet wurden, konnte eine größere Summe für das Projekt „Leben und Arbeiten in Eichenzell“ gespendet werden.

Irgendwann entwickelte sich die Zusammenarbeit inhaltlich weiter. Es entstand die Idee, dass UPS-Beschäftige und Menschen von antonius gemeinsam ein Projekt zugunsten eines Dritten durchziehen. Das war etwas Neues. Gemeinsam stutzten sie Hecken im Tierheim in Lauterbach, ein andermal wurden Gehege im Fuldaer Heimattiergarten repariert. Der Vorteil einer solchen Konstruktion: Das Entscheidende geschieht indirekt. Im Vordergrund steht nicht die Unterstützung von Behinderten, sondern die gemeinsame Sache. Es kommt zu Begegnungen, zum Abbau von Vorurteilen: Die UPS-Beschäftigten erlebten, dass auch Menschen mit Handicap ordentlich zupacken und sich sozial engagieren können. Rollenbilder brachen auf, Beziehungen entstanden.

Besonders das Letzte war wichtig, um schließlich einen Menschen, der bislang von antonius gefördert wurde, dauerhaft im Betrieb integrieren zu können. Die Belegschaft ist dafür offen, weil ihr antonius vertraut ist. Das ist der tiefere Sinn solcher Seitenwechselprojekte: Es wird die Basis für Weitergehendes gelegt.

Und wenn es gelingt, einem Menschen eine Lebensperspektive zu eröffnen und ihn am Ende sogar übertariflich zu bezahlen, hat man das Optimum erreicht: die Hilfsbedürftigkeit ist überwunden, Selbstvertrauen und Zufriedenheit sind gewachsen. Das ist die nachhaltigste Form, sich sozial zu engagieren. „Empowering people“ gehört zum internen UPS-Jargon.

Raul Daut ist noch nicht lange in Eichenzell. Er ist bereits der vierte Niederlassungsleiter, der die Partnerschaft mit Leben füllt. Aber wenn man ihn erzählen hört, spürt man, dass sich Begeisterung offenbar vererben lässt. Well done, UPS.

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