Was raten Sie, Herr Lorz?

Drei pointierte Fragen an den Hessischen Kultusminister Alexander Lorz von Michaela Lengsfeld (Geschäftsführerin von antonius)

Michaela Lengsfeld: Bei Ihrem Besuch in Fulda anlässlich der Einweihung unserer neuen Schule haben Sie betont, dass freie Schulen ein wichtiger Innovationsmotor für das gesamte Bildungswesen sind. Das hat uns den Rücken gestärkt. Andererseits erleben wir, dass wir nur dann eine Genehmigung für unsere neue Konzeption bekommen, wenn wir an den zentralen Merkmalen der klassischen Regelschule (wie Lehrpläne, Schulorganisation, Bewertungssystem) festhalten. Was raten Sie uns?

Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Die Eindrücke, die ich im November letzten Jahres bei meinem Besuch gewinnen konnte, waren sehr tief und anhaltend. Sie haben meine Auffassung bestätigt, dass im Gegensatz zu öffentlichen Förderschulen bei Schulen in privater Trägerschaft eine Aufnahme von Regelschülerinnen und Regelschülern in die Förderschule gut umsetzbar ist. Sie haben die Inklusion umgekehrt und gezeigt, dass es nicht nur möglich ist, dass die allgemeine Schule Förderschülerinnen und Förderschüler aufnimmt, sondern Sie öffnen Ihre Türen für Schülerinnen und Schüler der allgemeinen Schule. Damit betreten Sie mutig Neuland und ich bin zuversichtlich, dass Sie auch kreative und pragmatische Lösungen finden, wenn es um die weiteren Herausforderungen des Schulalltags geht. Mein Ratschlag lautet: Im Staatlichen Schulamt für den Landkreis Fulda finden Sie kompetente Ansprechpartner und Beratung für alle Fragen vor Ort.

Michaela Lengsfeld: Viele Eltern unserer Schüler fragen besorgt: Was geschieht eigentlich nach der Grundschule? Warum kann das inklusive Modell nicht weitergeführt werden? Die Eltern von Kindern mit besonderem Förderbedarf fürchten, dass ihre Kinder doch wieder auf einem Abstellgleis landen. Aber auch Eltern von leistungsstarken Kindern fürchten, dass durch die Normierungen im weiteren Schulverlauf die guten Ansätze der individuellen Beschulung wieder zunichtegemacht werden könnten. Was können Sie den Eltern sagen?

Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Auch hier hilft Ihnen keine allgemeine Antwort. Die Lösungen müssen bei Ihnen vor Ort gemeinsam gestaltet werden. Sicher ist es hilfreich, hier mit den anderen Schulen und Institutionen der Region zu kooperieren und Netzwerke aufzubauen, wie Sie es ja bereits vielfältig getan haben.

Michaela Lengsfeld: Kann es überhaupt funktionieren, Inklusion im Schulwesen zu etablieren, wenn die ganzen Folgeinstitutionen wie Ausbildungsstätten, Handwerk und Industrie an den bisherigen Bewertungssystemen von Menschen festhalten?

Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Das Netzwerk, das bei Ihnen mit der Perspektiva gGmbH im Rahmen der Förderberufsschule Startbahn entstanden ist, leistet aus meiner Sicht einen ganz wertvollen Beitrag – denn die Einstellung und die Haltung von Menschen lassen sich nicht durch ein Gesetz oder durch eine Verordnung verändern. Aber auch hier gilt das oben Gesagte: Es handelt sich um einen Prozess, der erst nach und nach in allen gesellschaftlichen Bereichen ankommt. Ich möchte aber auch nicht verschweigen, dass Gesetze und Verordnung natürlich hilfreich sein können, um diesen Prozess zu unterstützen. Um den Übergang von der Schule ins Arbeitsleben zu verbessern, hat Hessen beispielsweise die Möglichkeit geschaffen, dass Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Lernen seit dem Schuljahr 2011/12 einen berufsorientierten Abschluss erwerben können. Dieser neue Abschluss umfasst eine teamorientierte Projektprüfung (wie beim Hauptschulabschluss), Beschreibung und Bewertung von Erfahrungen und Kompetenzen im Bereich Berufsorientierung, sowie Kompetenzbeschreibungen in den Kernfächern. Im Moment arbeiten wir daran, den berufsorientierten Abschluss im inklusiven Unterricht der höheren Klassen an allgemeinen Schulen einzuführen, um Schülerinnen und Schüler auf eine möglichst selbstständige Teilhabe am Berufs- und Arbeitsleben vorzubereiten.

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