Wenn du willst, dass die Liebe einfach ist, musst du dir einen Hund anschaffen

Die schönsten Liebesgeschichten sind nicht die, in denen es um den Anfang geht. Sondern die, die bis zum Ende erzählen.

Doch unser Bild von der Liebe beschränkt sich oft auf das, was in Roman und Film geschildert wird: stürmische Anfänge, romantische Sequenzen. In Wirklichkeit geht es mit dem  Happy End doch erst richtig los.

 

Liebe muss erwachsen werden. Sie entwickelt sich. Langsam. Aber trotz oder wegen der vielen gemeinsamen Jahre, die ins Land gehen, stellen viele irgendwann fest, dass die Sache doch noch nicht ganz ausgereift ist – und landen beim Paartherapeuten. Zum Beispiel bei Paarberater Michael Möller aus Fulda. Sein erstaunlich positives Fazit lautet: Paartherapie bedeutet nicht das Ende einer Liebe. Im Gegenteil. Wer hierher kommt, der gibt nicht auf.

„Die Liebe hat auch Jugend, Pubertät und Alter“, hat Michael Möller beobachtet. Seit drei Jahren berät er Paare, die in eine Krise geraten sind und war überrascht, wie groß der Bedarf ist – selbst in einer kleinen Stadt wie Fulda. Anderen dabei helfen, sich selbst zu helfen, könnte man seine Vorgehensweise beschreiben, denn „Paarberatung ist kein Produkt. Die Menschen, die zu mir kommen, wissen, dass sie an sich arbeiten müssen.“ Und dass es vielleicht wehtun wird. Doch allein die Bereitschaft, den Schritt zur Beratung zu wagen, setzt das Zeichen: Wir waren uns einmal gegenseitig wichtig. Und wir sind es noch.

Allerdings muss die Bereitschaft von beiden Seiten kommen. „Manchmal werde ich gebeten, den Ehemann oder die Ehefrau anzurufen, damit sie zur Beratung mitkommen. Aber das müssen die Partner mit sich selbst vereinbaren.“

Ist diese erste Hürde überwunden, können die nächsten Fortschritte sehr schnell gehen – oder nach der dritten Sitzung in Einzelgesprächen weitergeführt werden. Denn ein Patentkonzept gibt es nicht. „Werde ich gefragt: ‚Wie oft sollen wir jetzt kommen?’, kann ich darauf leider keine klare Antwort geben.“ Schon in der ersten Sitzung kann sich etwas auflösen. Andere Paare brauchen länger. Länger, um wieder zu lernen, überhaupt miteinander zu reden und sich gegenseitig zuzuhören. Denn das Reden haben viele Paare längst verlernt. „Es ging ja immer irgendwie gut“, bekommt der Paarberater oft zu hören. Es ging immer irgendwie gut, oft viele Jahre lang, bis etwas passiert. Ein Fehltritt, ein Streit oder ein falsches Wort. Der Seitensprung. Eskalation. „Was machen wir denn jetzt?“, heißt es dann.

 

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Erkennen, wie es dazu kommen konnte. Denn meistens gab es schon vorher eine Entfremdung zwischen den Partnern. Und wenn einer der beiden fremdgeht, bedeutet das manchmal nur, dass ihm etwas gefehlt hat.

Die Liebe ist keine Stütze –
das würde bedeuten, dass man
nicht alleine stehen kann.

Wer zur Paarberatung kommt, wird auch mit Fragen konfrontiert, die er sich selbst noch nie gestellt hat. „Ich kann nur lieben, wenn ich mich selber kenne – und liebe.“ Schließlich soll die Liebe keine Stütze sein. Wer mit dieser Erwartung an eine Beziehung herangeht, kann nur enttäuscht werden. Denn eine Stütze bedeutet, dass man nicht alleine stehen kann.

Selbst stehen zu können ist aber eine wichtige Voraussetzung für jede Beziehung: Wer seinen Platz im Leben kennt, seine Fehler und Schwächen einschätzen kann und es auch mit sich allein aushält, braucht keine Stütze. Sondern einen gleichberechtigten Partner, der ebenso gefestigt ist. Und der die Größe hat, dem anderen den Freiraum zu lassen, den er braucht.

Antoine de Saint-Exupéry schrieb:
„Liebe besteht nicht darin,
dass man einander anschaut,
sondern dass man gemeinsam in
dieselbe Richtung blickt.“

„Natürlich können auch Beziehungen zwischen komplizierten Partnern funktionieren. Eine junge Frau litt unter dem Borderline-Syndrom, ihr Partner an Depressionen. Beide gingen bereits unabhängig voneinander zur Therapie. Zusätzlich nahmen sie die Paarberatung wahr und sind zusammengeblieben.“ Denn ganz gleich, wie unterschiedlich die Lebensumstände, die Herkunft und die Charaktere sind: Entscheidend ist, dass man in dieselbe Richtung geht.

Einander anschauen, das ist es, was junge Paare am Beginn ihrer Beziehung tun. „In den ersten fünf Jahren gibt es Urlaub auf Bali und alles ist leicht“, so der Paarberater.  „Aber die richtige Liebe zeigt sich erst später, wenn es Probleme gibt.“

Romantische Vorstellungen sind gut und wichtig, aber schließlich müsse man den gemeinsamen Alltag bestreiten – den bleifarbenen, gleichförmigen Alltag, aus dem sich jeder bisweilen weit weg wünscht. Wenn dieser gemeinsame Alltag scheitere, seien viele der Meinung, es läge am Partner – und glauben ernsthaft, mit einem anderen an der Seite würde das Alltagsleben aufregender. Oder leichter. Viele wechseln daraufhin den Partner – und scheitern erneut, weil sie das Grundproblem nicht erkannt haben. Dann tun sie wieder und wieder dasselbe und erwarten gleichzeitig ein anderes Ergebnis: ein Leben, das vermeintlich schöner und aufregender ist. Eine Gleichung, die nicht aufgehen kann.

Was die heutige Generation von der vorherigen unterscheide, sei die Bereitschaft, mehr und offener miteinander zu reden. Jeder dürfe äußern, was er sich wünsche und was ihm fehle. Andererseits seien die Partner heute austauschbarer. Wo man früher auf die Ehe angewiesen war, stehen heute beide auf eigenen Füßen und sind eher bereit, sich jemand anderen zu suchen. „Sobald es herausfordernd wird, geben viele auf“, bedauert der Paarberater. „Aber man muss auch mal aushalten können und durch den Schmerz gehen.“

Er selbst glaubt fest daran, dass das Modell Ehe ein Leben lang funktionieren kann. Wenn die Partner aus sehr unterschiedlichen Familienverhältnissen stammen, kann das zu Problemen führen, weil jeder mit anderen Bildern geprägt ist. Doch manchmal sind es genau diese Unterschiede, die den anderen attraktiv machen.

Vielgestaltig sind die Geschichten, mit denen Möller konfrontiert wird. Ein älteres Paar suchte ihn auf. Wo die meisten Menschen sich entfremden, weil sie sich nicht mehr berühren, war es hier genau das, was die beiden zusammenhielt: großartiger Sex. „Die beiden saßen vor mir und haben sich kaputtgelacht, als sie mir davon erzählten.“ Vor allem der Versöhnungs-Sex habe die beiden immer wieder zusammengehalten. Gescheitert sind sie am alltäglichen Zusammenleben.

„Auch räumliche Trennung kann eine Lösung sein“, findet Michael Möller. Ein Paar, dem er anmerkte, dass sie eine Pause voneinander benötigten, riet er, sich eine Frist zu setzen: Bis Weihnachten würde der Ehemann ausziehen. Aus seinem eigenen Haus. „Das war ein schwerer Schritt für ihn“, gibt der Berater zu. „Aber die beiden haben sich sehr auf ihr Wiedersehen gefreut und schließlich hat ihnen die kurzzeitige Trennung geholfen.“

Was die Liebe im Endeffekt ist, darauf hat auch ein Paarberater keine Antwort. Sie ist so vielfältig und komplex wie das Leben selbst. Aber eines ist sie auf keinen Fall: ein Produkt. Man kann sie nicht kaufen, nicht besitzen. Und sie ist keine Traumfabrik. Je größer und pompöser die Hochzeit ausfällt, desto geringer ist oft die Lebensdauer einer Ehe. Wer alles daran setzt, Prinzessin für einen Tag zu sein, dem entgeht, dass es am Ende immer um zwei geht. „Und das Problem daran ist: Wer Prinzessin sein will, der erwartet auch einen Prinzen“, bestätigt der Berater. Man tut nichts, als seine Wünsche auf den Partner zu projizieren. „Natürlich ist Liebe auch eine Form der Projektion. Aber wenn ich in dem romantischen Bild verhaftet bleibe, komme ich nicht weiter.“ Paare, die dagegen zur Paarberatung gehen, sind schon weitergekommen. Sie haben den Anfang überwunden, und die Mitte – und wollen gemeinsam weitergehen. Bis zum Ende.

Am Ende des Interviews ist selbst der Paarberater überrascht über das positive Fazit. Wer hierher kommt, der gibt nicht auf. Vielleicht ist das die wahre Liebe.

 

von Anna-Pia Kerber

 

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Zur Person: Der 34-jährige

Michael Möller

arbeitete im Bereich Verkauf und Marketing, bis er 2011 in den sozialen Bereich wechselte. Seit 2015 arbeitet der Sozialpädagoge freiberuflich als Coach, Business- und Paarberater in Fulda. Er ist Geschäftsführer in Teilzeit beim Geburtshaus und Familienzentrum Fulda.

 

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