WIR ZEIGEN`S IHNEN Mittelalter

Erika Mechler und Andreas Sauer erklären Ihnen heute: Mittelalter

Mindestens 18 Türme zierten die Stadtmauer von Fulda. Von ihnen aus konnte man die nahenden Feinde erspähen. In ihren Kellern wurden Schätze vergraben, Pulver gelagert und Gefangene gefoltert. Entlang der Mauer wurde scharf geschossen. Im Süden gab es ein „Henkerstörchen“ für den Scharfrichter und im Norden ein „Frauentörchen” für – na, wer weiß das schon so genau? Allenthalben viel Stoff für die Fantasie. Ab dem frühen 18. Jahrhundert begann man, den mittelalterlichen Schutzwall niederzureißen. Doch es steht noch mehr, als man denkt. Die Seitenwechsel-Redakteure Erika Mechler und Andreas Saurer waren für Sie auf Spurensuche fachkundig unterstützt von Heimatforscher Michael Mott. Hier ist ihr Bericht:

Liebe Leser,
kaum zu glauben, aber sogar das Mittelalter war in Fulda. Vor über 800 Jahren. Ich will euch jetzt die Geschichte unserer Erkundung erzählen. Es ging am alten Heertor los.

Der Heimatforscher Michael Mott zeigte uns Skizzen, wie Fulda früher aussah. Es gab noch keine Kutschen, nur Karren und große Wagen. Die wurden von Pferden gezogen. Das alte Heertor war aber eigentlich kein Stadttor, weil die großen Wagen da gar nicht durchgepasst hätten. Die Straßen waren nämlich früher höher gelegen als heute, die hat man erst später tiefer gelegt. Sagt Herr Mott. Die alte Stadtmauer wurde etwa um 1160 erbaut, weil die Stadt damals bedroht wurde. Sie war 1648 Meter lang. So ungefähr. An manchen Stellen standen auch zwei Mauern hintereinander, da war sie dann länger (1770m). Am Busbahnhof sahen wir ein Fischgrätmuster in der Wand. Wenn das so gemauert ist, dann ist die Stadtmauer echt. 

Außen vor der Mauer war der Wassergraben. Damit die Feinde nicht drüber kamen und auch nicht in die Stadt rein. Die mussten dann diese Hürde auch noch nehmen. Die Zugbrücken wurden hochgezogen. Der Wassergraben wurde dann später wieder zugeschüttet. Da sind heute die großen Straßen von Fulda drauf. Die Petersberger Straße und die Rabanusstraße zum Beispiel.

„Hufen klappern, Pferde traben, springen übern Wassergraben, wer kann das wohl sein…“, sangen wir.

Dann gingen wir in das Kleidergeschäft „Erna Schneider“. Da kann man von innen auch die Mauer sehen. Ich kannte den Turm zwar schon – ich bin mit meiner Mutter da mal reingegangen – aber ich hatte mich nie darum gekümmert. Durch den Michael Mott hab ich das jetzt nochmal ganz anders aufgefasst. Das war in dem Kerkerturm ein ganz anderes Erlebnis. Der Spillingsturm war ja, glaube ich, ein Verlies früher. Da wurden die Gefangenen eingesperrt. Als wir da drin waren, war ich ein bisschen bedrängt. Es war ziemlich eng. Die müssen ganz schön Angst gehabt haben, als sie da eingesperrt wurden. 

Erika Mechler: Ich war auch schon mal in dem Kleidergeschäft, aber da habe ich das nicht gesehen. Das war schon spannend jetzt.

Dann gingen wir zum Peterstor. Da war auch eine Öffnung in der Mauer früher. 4,5 Meter hoch war
das Tor! Und sechs Meter breit. Es hatte fünf Etagen. Wo das riesige Tor genau stand, sieht man heute am Fußboden. Das Altstadtpflaster sieht da anders aus. Ich habe hochgeschaut und mir das Tor vorgestellt. Das war da früher eine ganz andere Atmosphäre, das hat richtig gelebt.

Erika: Dann sind wir in ein altes Haus gegangen, ganz durchgegangen bis in den Garten. Das war so ein kleines Loch in der Mauer, da konnte man durchgucken.

Das waren die Löffelschießscharten. Die hießen so, weil sie aussehen wie ein Löffel. Durch den Schlitz konnte man den Feind beobachten. Und dann hat man sich gewehrt, also durchgeschossen, damit die Feinde auch merken: Oh, da ist jemand!

In der Brauhausstraße steht auch noch ein großes Stück von der Stadtmauer. Oben ist ein Weg drauf. Da liefen die Soldaten und die Geschützleute drüber. Dann zogen wir noch ein Stück weiter in die Meistergasse. Diese spielte früher eine große Rolle, weil dort der Henker wohnte, der die Menschen ganz offiziell umbringen durfte. Zum Henkerturm kann ich auch noch so ein paar Worte sagen. Früher hatte der Henker da gewohnt. Und durch ein kleines Tor in der Mauer konnte er in seinen Garten rüber. Der Galgen, wo die Leute aufgehängt wurden, stand am Waldschlösschen. Später wurde das nach Lehnerz ausgesiedelt, weil der Fürstabt nicht sehen wollte, wie die Leute am Galgen hängen.

Könnt ihr euch vorstellen, was Fulda früher erlebte? Es war grausam, wie die Menschen immer mit der Angst leben mussten! Zum Glück waren wir nicht dabei! Die meisten Leute waren auch ganz arm. In kleinen Häuschen haben sie oft mit 15–20 Leuten gewohnt. Im Winter wurde nur ein Zimmer geheizt. Zum Schluss ging es zum Pulverturm. Da wurde früher das Schießpulver aufbewahrt, das war für die Gewehre zum Laden gedacht. Damit die sich verteidigen konnten. Der Pulvertum ist heute bewohnt, aber die Eigentümerin hat uns reingelassen.

Erika: Oben war´s schön. Da war eine tolle Aussicht. Ja, da ist eine Dachterrasse. Schade, dass wir nicht in alle Türme reinkonnten.

Wir möchten uns bei Herrn Mott für die Führung bedanken, auch im Namen der Redaktion. Er war sehr aufmerksam und hat uns auch zugehört, was man bei einer normalen Stadtführung ja nicht so hat. Für uns war es schön, zu sehen, was Fulda früher zu bieten hatte. Es war schon etwas Besonderes, wie die Menschen im Mittelalter lebten. Ich liebe ja Steine, Natursteine. Ich bin Landschaftsgärtner. Und die ganzen alten Schriften da drin – das jetzt wieder so zurückzudenken, also das, was vor 800 Jahren war, wieder ins Leben zu rufen – ich kann nicht beschreiben, wie es war. Alles konnte ich nicht so genau nachvollziehen. Wir sind an unsere Grenzen gekommen. Mir ging es schlecht dabei, wie die Menschen früher litten. Aber alles fand sein Ende. Gut war auch, dass Frau Mott dabei war, die konnte noch einiges dazu erklären. Also vielen Dank! Und auch für das Eis zum Schluss! Das alte Fulda, hat schon vieles erlebt. Kein Wunder, dass es zittert und lebt und auf das neue Morgenrot wartet.

Eure Redakteure,

Erika Mechler und Andreas Sauer

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