Wo bleibt mein Kaffee?

von Arnulf Müller

Der fast perfekte Sonntagnachmittag: Vom Dom schweift der Blick hinüber zur Wasserkuppe. Der Spätherbst färbt die Blätter und streichelt die Seelen. Entsprechend gelöste Gesichter, ein Kommen und Gehen auf der Frauenbergterrasse. Nur eine Person lässt sich nicht blicken: der Kellner.

Wenn der Kunde sich nicht als König fühlt, reagiert er wenig königlich. Das mussten ab und an auch die Servicemitarbeiter im neuen Café FLORA auf dem Frauenberg erfahren. Redliches Mühen allein reicht nicht; in Gastronomie und Hotellerie wird Perfektion erwartet – Inklusion hin oder her.

So schön der Gästeansturm nach der Eröffnung im September war und so sehr sich die Ideengeber bestätigt sehen durften, so sehr wurde manch organisatorisches Defizit aufgedeckt. Allen Beteiligten wurde rasch klar: Das Projekt Frauenberg, welches von den Franziskanern und antonius getragen wird und zugleich wirtschaftliche, soziale und spirituelle Ziele verfolgt, braucht einen langen Atem. Der Weg zu einem modernen, leistungsstarken Dienstleister, bei dem überproportional viele Menschen mit Handicap oder anderen Schwierigkeiten eine berufliche Chance bekommen sollen, ist weit.

Doch trotz des wirtschaftlichen Drucks steht Geschäftsführer Michael Becker zum Konzept, ja, er begrüßt sogar den Gegenwind: „Wir spüren die harten Marktanforderungen im Café und im Gäste- und Tagungshaus, aber genau dadurch wächst hier ein echter Betrieb. Wir wollten ja keine Sonderwelt erschaffen mit einem behäbigen Tagesablauf und chronischer Unterforderung.“

Doch ist das realistisch? Kann ein Unternehmen im Wettbewerb bestehen, in dem viele Menschen arbeiten, die aus irgendeinem Grunde nur schwer Anschluss an eben diese Wirtschaftswelt gefunden haben?

Davon sind die Macher und Unterstützer wie die St. Antonius-Stiftung nach wir vor überzeugt. Dass anfänglich nicht alles rund lief, lag nicht daran, dass einige Menschen eine besondere Begleitung bei der Arbeit benötigen oder mit irgendeinem Handicap ringen. Im Gegenteil, gerade in diesem Punkt gibt es überraschende Entdeckungen. Menschen wie die strahlende Sifa Yel etwa, der man aufgrund ihr kleinen Finger nicht zutraut, dass sie so viel in der Küche wegschaffen kann. Oder Daniel Kremer, der als Fachpraktiker für Bürokommunikation 80 Bewerbungen abschickte, aber aufgrund einer leichten Gehbehinderung nur Absagen erhielt. In seinem Bereich Büro/Rezeption blüht er nun auf und genießt seine Arbeit im jungen Team. Nicht zuletzt Rainer Golke: Mit seiner 35-jährigen internationalen Berufserfahrung als Manager in Hotellerie und Gastronomie ist er ein echter Profi. Durch eine schwere Erkrankung aus seinem gewohnten Leben gerissen, musste er sich nach seiner Genesung völlig neu erfinden. Als Spezialist von Hoteleröffnungen ist er hier nun derjenige, der seit zwei Monaten die Professionalisierung vorantreibt, Abläufe justiert und nötige Standards einführt. Eine der Aufgaben besteht darin, das Jugend-und-Gästehaus zu einem Unternehmen mit Drei-Sterne-Niveau weiterzuentwickeln. Dazu gehört neben einer ansprechenden Zimmergestaltung mit moderner Atmosphäre auch der professionelle Umgang mit dem Gast von der Begrüßung bis zur Verabschiedung. Auch im Café dreht sich alles um die Etablierung fester Abläufe: einerseits, damit der Kaffee schneller, zusammen mit dem Kuchen und am richtigen Platz serviert wird, andererseits, damit Menschen mit Handicap auch in turbulenten Phasen wissen, was und wie sie etwas zu tun haben.

So wird vieles derzeit auf den Prüfstand gestellt. Die Ruhe aber, die besondere Mentalität und die Atmosphäre, die vom Kloster ausstrahlt, sollen erhalten werden. Natürlich hängt davon auch der wirtschaftliche Erfolg ab, denn die Gäste sollen hier etwas finden, was ihnen andernorts nicht geboten wird. Aber ohne gute Belegungszahlen in Gäste- und Tagungshaus und ohne ein florierendes Café FLORA lassen sich die hohen Kosten nicht decken. Daher sollen die Zimmer künftig über Booking-Portale vermarktet, das Frühstück im Café stärker beworben und das Mittagsangebot ausgeweitet werden.

Wichtig bei aller Dynamik ist der anerkennende und respektvolle gegenseitige Umgang der sehr verschiedenen Menschen, die hier oben auf dem Berg zusammenkommen. Man spürt schon jetzt, dass da etwas besonderes entsteht. „Die Zutaten sind die Menschen“, sagt Golke, „die müssen geshakt werden, dann kommt ein toller Cocktail heraus.“

Auf die Mischung kommt es an und auf das Herz. Aber es dürfen wirtschaftlich keine Scheinlösungen sein. „Wir wollen echte Arbeit, echte Anforderungen, echte Betriebe“, betont Becker. „Und die Menschen mit Handicap mittendrin, jeder nach seinen Möglichkeiten. Wir wollen zeigen, dass so eine Zusammenarbeit möglich und erfolgreich ist: antonius-Special am Frauenberg.“

 

Daniel Kremer

Daniel Kremer

 

 

 

Rainer Golke

 

Rainer Golke

 

 

 

Sifa Yel

 

Sifa Yel

 

 

Zurück