Ach, Heimat
Ach Heimat. So ein schönes, unschuldiges und liebenswertes Wort. Randvoll mit Erinnerungen aus der Kindheit. Vertraute Menschen. Heimisch eben. Verbunden mit vielen Sehnsüchten, die so manchem erst zu Bewusstsein kommen, wenn er in der Fremde weilt. Doch Sehnsüchte lassen sich auch leicht missbrauchen.
Ach Heimat. So ein schönes, unschuldiges und liebenswertes Wort. Randvoll mit Erinnerungen aus der Kindheit. Vertraute Menschen. Gegenden, in denen man sich auskennt. Gerüche, Geschmäcker, mit denen man groß geworden ist. Feste und Rituale, die man schon mit den Großeltern feierte und die Großeltern mit ihren Vorfahren. Die Sprache, der Dialekt, der ortsübliche Zungenschlag: alles vertraut und sicher. Heimisch eben. Verbunden mit vielen Sehnsüchten, die so manchem erst zu Bewusstsein kommen, wenn er in der Fremde weilt.
Doch Sehnsüchte lassen sich auch leicht missbrauchen wie seinerzeit von den alten Nazis, die das arglos-unschuldige Heimatgefühl unserer Vorfahren mit Blut und Boden, Nationalstolz, Lebensraum und Volk in Verbindung brachten so wie es derzeit auch die neuen Nazis wieder versuchen.
Heimat ist aber viel kleiner zu denken, persönlicher, näher – in jeder Beziehung. Das Wort, das es in dieser Form und in diesem Gebrauch nur in unserer Sprache gibt, kommt aus einer Zeit, in der die Begriffe Staat, Nation oder Volk so gut wie keine Rolle spielten oder eine andere Bedeutung hatten. Für die germanischen Stämme war Volk noch die Benennung der Gruppe derer, die volkten (folgten), sich also dem ziehenden Stamm anschlossen und damit dazugehörten. Und Heimat bezeichnete den Ort, an dem man seine Bettstatt fand oder aufstellte. Denn die ursprüngliche Bedeutung des Wortes hämatli, abgeleitet vom germanischen haima, ist liegen, zu Bett bringen. Es kennzeichnete das Wohnrecht mit Schlafstelle im Haus, ein Aufenthalts- und Bleiberecht. So wie es im Schweizer Rechtskanon noch heute verwendet wird.
Heute erfährt Heimat eine erstaunliche Wiederbelebung. Das Wort begegnet uns in vielfältigen Zusammenhängen – und nicht immer nur im Guten. Man denke nur an die wiedergekehrte Überbetonung der Nationalstaatlichkeit in Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika und in anderen Teilen der Welt. Doch in den Gedanken und dem Fühlen der Menschen klingt wie eh und je eher die Sehnsucht nach dem Vertrauten an, nach den guten Erinnerungen an die Kindheit. Grund genug, in dieser Ausgabe des SeitenWechsels einmal den vielfältigen Facetten von Heimat nachzuspüren.
Wir haben mit Menschen gesprochen, die ihre Heimat verloren haben oder deren Lebensgeschichte so verlaufen ist, dass sie nirgends heimisch werden konnten. Der ehemalige Fuldaer Oberbürgermeister Gerhard Möller stellt sich als Native-Fuldaer-Platt-Speaker vor. Außerdem haben wir viele O-Töne eingefangen, wie die Menschen aus unserer Region Heimat ganz unmittelbar erleben. Auch dem merkwürdigen Phänomen, dass sich die Sehnsucht nach Heimat ausgerechnet in fremden Trachten und Festen am wohlsten fühlt, sind wir nachgegangen. Interessiert hat uns auch, wie zwei Fuldaer Gastronomen Heimat zum Erfolgsrezept einer Kneipe gemacht haben. Lassen Sie sich von diesen und weiteren interessanten Beiträgen wieder zu einem persönlichen Seitenwechsel anregen.
In diesem Sinne
Ihr Hanno Henkel & das Redaktionsteam