All inclusive – alles eingeschlossen
Wer kennt sie nicht, die flotten, alles verheißenden und gerade deshalb oft genug nichtssagenden Sprüche der Werbetexter und Marketingstrategen!
Dabei weiß jeder, „alles“, das geht eigentlich nie, zumindest ist es maßlos übertrieben. Aber man muss offenbleiben für Neues. Ein Ortstermin hat mich dieser Tage nachdenklich gemacht. „Alles eingeschlossen“, ist das vielleicht doch unter bestimmten Voraussetzungen möglich?
Antoniusheim, 13. März 2012. Im Besprechungszimmer hat sich ein bunter Kreis von Leuten zusammengefunden, die alle dies verbindet: Sie anerkennen und schätzen hoch, was im Antoniusheim Fulda geleistet wird, und sie sind bereit, das Heim in seiner Arbeit zu unterstützen. Die Kaffeetafel ist gut gedeckt, die Tatsache, dass man sich ja „am fremden Tisch“ befindet, erleichtert es den meisten, das Thema „Fastenzeit“ vorübergehend einfach kurz auszublenden, und wenn nicht ein ziemlich ernstes Thema zu besprechen wäre, könnte man die Szene als gemütliche Familienfeier beschreiben.
Ich höre zu und rede mit, aber meine Aufmerksamkeit ist geteilt, weil mich eine Tafel fasziniert, die in meinem Blickwinkel schräg gegenüber an der Wand hängt. Eigentlich sind da nur Kreise, und, unterschiedlich zugeordnet, farbige Punke abgebildet, und der Text besteht lediglich aus vier Begriffen, nämlich Exklusion, Separation, Integration und Inklusion – das Schema von Entwicklungsstufen der Pädagogik.
Angesichts der mir wohlvertrauten Lebenswirklichkeit behinderter Menschen habe ich keine Probleme mit den ersten drei Begriffen. Schließlich mussten unendlich viele Ausgrenzungen, Trennungen und beschämende Versteckspielereien erst einmal überwunden werden, bevor von Integration Behinderter in der Gesellschaft gesprochen werden konnte, und wie lange dauerte es, bis sie allmählich Wirklichkeit wurde!? Aber I n k l u s i o n ?
Die Gesprächsrunde diskutiert die Frage der Gestaltung einer neuen Publikation des Antoniusheimes, und ich mache ständig Seitenwechsel: Mal bin ich im Gespräch, mal in Gedanken. Erst als bei mir das, was ich eigentlich längst weiß, immer mehr in für das Antoniusheim typischen Bildern Gestalt annimmt, wird mir bewusst: Das Antoniusheim ist geradezu ein Paradebeispiel für gelungene Inklusion. Ich sehe in Gedanken viele behinderte Menschen eifrig und froh an ganz verschiedenen Arbeitsplätzen, die findige Köpfe für sie geschaffen haben. Na bitte.
Jetzt kann ich wieder (fast) ganz meine Aufmerksamkeit der laufenden Diskussion schenken, obwohl der Film „Inklusion“ in meinem Kopf mit der Textzeile weiterläuft: Alle sind anders, und das ist das Normale! Mein Gott, warum fällt es uns so schwer, das wahrhaben zu wollen?
Das Gespräch geht zu Ende, und mein Fazit lautet: Ein Seitenwechsel von der vermeintlichen Normalität des Fuldaer Alltags in die vermutete Anormalität des Antoniusheims könnte bei jedem wahre Wunder bewirken, völlig neue Perspektiven eröffnen und uns damit zeigen, was Inklusion dort heißt, wo Leben, umfassend, eben alles eingeschlossen, gelebt wird:
Wertschätzung der Vielfalt, ein zu Hause haben, Gemeinschaft, Mitmenschlichkeit und Menschenwürde erleben, arbeiten und beten, Anerkennung finden, feiern, Freude und das gute Gefühl haben, für andere – in welchem Maße auch immer – nützlich, in allem und mit allen ein zufriedener Mensch zu sein. Antoniusheim all inclusive, das ist eine große Sache und ein guter Tipp auch für alle diejenigen, die keine Behinderung haben. Gehen Sie hin, schauen Sie einmal hinter die Mauern dieses imposanten Komplexes im Westen der Stadt, und erleben Sie dort Menschen, die mit Gott, ihrer Welt und sich selbst im Reinen sind, ja, so ganz anders als so viele andere!