Einfach mal frei sein

Von Katrin Schulte-Lohmöller

Urlaub ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Es wird gespart, die Hotels verglichen und die Tage bis zur Reise gezählt. Normalerweise, denn Menschen mit einer Behinderung benötigen oft eine Assistenz, die im Urlaub unbezahlbar ist. Elmar Möller und unser Redaktionsmitglied Andreas Sauer erzählen vom inklusiven Reisen und wie sie ihre ganz persönliche Freiheit finden.

Foto: Elmar Möller

 

 

„Reisen macht mir unglaublich großen Spaß“, erzählt Andreas Sauer. „Ich war auch schon oft im Urlaub. Das letzte Mal auf Korsika hatten wir ein ganz verrücktes Erlebnis. Wir saßen morgens zusammen beim Frühstück vor unseren Zelten auf einem Campingplatz und auf einmal kam ein Sandsturm. Mehrere Stunden mussten wir unsere Zelte festhalten und hinterher war alles voller Sand. Das hat unsere Gruppe richtig zusammengeschweißt. Aber eigentlich passieren im Urlaub immer irgendwelche außergewöhnlichen Sachen.“ Das sei auch der Grund, warum er sehr gerne mit den Freizeitangeboten von antonius wegfahre. 

 

„Die letzte Reise nach Korsika war wirklich spannend – solch einen Sandsturm habe ich davor auch noch nicht erlebt“, findet Elmar Möller. Er ist seit 26 Jahren für die Freizeitangebote bei antonius zuständig. Angefangen hat alles mit kleinen Fahrten für die Bewohner. „Durch meine Angebote möchte ich es Menschen mit einer geistigen Behinderung ermöglichen, in den Urlaub zu fahren und Spaß zu haben“, erklärt der Sozialpädagoge sein Engagement. Dabei plant er nicht nur die Reisen, sondern ist auch vor Ort mit dabei. Aufgrund der hohen Nachfrage ist das Angebot immer größer geworden. „Der entscheidende Schritt war es, unsere Fahrten auch für Externe zu öffnen. Mittlerweile haben wir einen offiziellen Freizeitkalender. Jeder, der mitfahren möchte, kann das tun.“

 

Angebote für organisierte Reisen gibt es viele. Ob Gruppenreisen, Pauschalreisen oder ausgefallene Abenteuerurlaube – Reisebüros und diverse Onlineportale erfüllen in der heutigen Zeit fast jeden Wunsch. Weitaus schwieriger gestaltet sich jedoch die Urlaubsplanung für Menschen mit einer geistigen Behinderung. „Inklusives Reisen scheitert meistens an der Finanzierbarkeit“, so Möller. Es gebe durchaus einige rollstuhlgerechte Reiseanbieter. Aber sobald jemand eine Assistenz benötige, steige der Preis ums Doppelte. „Die finanziellen Mittel von Menschen mit einer Behinderung sind sowieso schon sehr gering. Bei einem normalen Reiseanbieter müssen sie nicht nur ihren Urlaub bezahlen, sondern auch noch den von ihrer Assistenz. Das ist einfach zu teuer.“ 

 

Aus diesem Grund setzt Möller bei der Planung seiner Freizeitangebote alles daran, die finanziellen Ausgaben so gering wie möglich zu halten. „Ich finde, jeder hat Urlaub verdient und soll nicht den zweifachen Preis zahlen, nur weil er eine Assistenz benötigt.“ So wird auf seinen Reisen grundsätzlich selber gekocht und ehrenamtliche Begleitpersonen übernehmen die Aufgaben einer Assistenz. Dabei sind die Ziele der Reisegruppen von antonius so vielfältig wie die Bedürfnisse der Teilnehmer. Von Hausbootfahrten über Pilgerwanderungen bis hin zu einem Zeltlager auf Korsika oder einer Ski-Alpin-Trainingswoche ist für jeden etwas dabei. Auch wenn ab und an etwas Neues dazukäme, sei es wichtig, Gewohnheiten in die Reisen zu bringen, erklärt Möller. Deshalb würden immer die gleichen Campingplätze angefahren oder die gleichen Hausboote gemietet. „So entsteht eine Vertrautheit, durch die sich unsere Reiseteilnehmer schneller wohlfühlen. Auch auf Korsika fahren wir immer zum gleichen Campingplatz. Mit insgesamt zwölf Teilnehmern und vier Begleitern verteilt auf zwei Busse kommen wir dann vollgepackt mit unseren Zelten an und alle kennen uns schon. Die Campingplatzbesitzer vor Ort freuen sich auf uns, denn wir bringen immer gute Laune und frischen Wind mit.“ Inklusives Reisen im Ausland sei überhaupt kein Problem. Vielmehr habe er in den vielen Jahren seiner Arbeit eine Entwicklung weg vom Mitleid für die vermeintlich armen Menschen mit Behinderung hin zum interessierten Miteinander erlebt. Durch die zahlreichen Begegnungen mit anderen Urlaubern und Einheimischen seien seine Reisen das perfekte Beispiel für gelebte Inklusion. „Das stimmt“, bestätigt Andreas Sauer. „Ich lerne im Urlaub immer sehr viele Leute kennen. Auf Korsika bin ich einem Pärchen begegnet, das in Köln eine Ausstellung zum Thema Down-Syndrom eröffnet hat. An einem Abend saßen wir lange zusammen. Ich konnte ganz offen über meine Behinderung reden und wie das Leben mit Down-Syndrom ist. Sie haben mich einfach so wahrgenommen, wie ich bin. Ich musste mich nicht verstecken und ich habe mich richtig frei gefühlt. Das war ein sehr schönes Erlebnis.“ Letztendlich, so Möller, seien es doch genau diese Begegnungen, die das Reisen so besonders machten.

Fachmann für inklusives Reisen: Pädagoge Elmar Möller, Foto: Sven Haustein

 

Zurück