Er sagt - Sie sagt / Eine Begegnung, zwei Perspektiven

von Suria Reiche

Das erste Treffen: Manchmal ist es Liebe auf den ersten Blick, manchmal eine Begegnung ohne große Gefühle. Eins ist das Kennenlernen aber immer: geheimnisvoll und spannend. Denn der eine hat keine Ahnung, was der andere denkt.
Vier zufällige Beispiele:

Daniel und Bridget Schreiner
Dass Daniel und Bridget ein Paar werden, war wohl nach ihrer ersten Begegnung auf einer Studentenparty in Bamberg klar. Und das, obwohl ihre Heimatstädte damals mehr als tausend Kilometer trennten. Aber die Liebe findet immer einen Weg. Und so leben die beiden heute gemeinsam mit ihren beiden Kindern in der Barockstadt.



Daniel Schreiner, 43 Jahre alt, Stadtbaurat:
Wir lernten uns in Bamberg bei einer Geburtstags-Motto-Party kennen. Bridget absolvierte in Bamberg ein Auslandssemester für ihr Studium in Edinburgh. Die Party fand im Februar statt und es war ziemlich kalt und winterlich. Mich erstaunte ihr sommerliches Outfit . Sie hatte sich für die Motto-Party in Schale geschmissen, sich hierfür allerdings im Sommerschrank bedient. Britinnen schockt wirklich gar nichts! Bemerkenswert war ihre Freundlichkeit und ihr ehrliches Interesse an nahezu allem, was mit ihrer neuen Umgebung zu tun hatte. Nicht minder bemerkenswert war Bridgets extrem gutes Deutsch, mit dem sie die ganze Gesellschaft faszinierte. Nicht gefallen hatte mir hingegen, dass mein Englisch da nicht mithalten konnte. Nach dem Abschluss ihres ersten Studiums kam sie nach Deutschland zurück, um eine Weile in München zu arbeiten. Hierdurch blieben wir in Kontakt. Irgendwann fasste sie dennoch den Entschluss, wieder ins Vereinigte Königreich zu gehen, um ein zweites Studium in Edinburgh zu absolvieren. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die Lockerheit des Kontakts nicht mehr gegeben sein würde. Ich besuchte sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Edinburgh. Beim Abschied nach fünf Tagen war uns beiden dann irgendwie klar, dass es kein dauerhafter Abschied sein würde. Ans Heiraten dachten wir erst später, als wir in Deutschland bereits zusammenlebten. Ich bewundere an Bridget, dass sie immer eine unglaubliche Herzlichkeit ausstrahlt. Zudem scheint sie alles im Griff zu haben, obwohl sie sich als Britin im für sie untypischen barocken, katholischen und auch noch fastnachtsverrückten Fulda zurechtfinden muss und mit mir ihr Leben teilt.

Bridget Schreiner, 42 Jahre alt, Übersetzerin:
Es war 1999. Ich hatte mich im Zuge meines Germanistik-Studiums für ein Auslandsjahr in Bamberg entschieden, eine Stadt, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Obwohl ich am ersten Tag am Markt beinah verzweifelt war, weil das dort kursierende Fränkisch reichlich wenig mit der Sprache zu tun hatte, die ich in der Schule und an der Uni gelernt hatte, habe ich mich schnell in der herrlichen Stadt eingelebt und viele neue Freunde gefunden. Eine davon lud mich im Februar zu ihrer Geburtstagsfeier ein. Ich hatte mich über die Einladung sehr gefreut. Ich kam allerdings etwas spät und die Wohnung war schon voll, was mich etwas einschüchterte. Ich wurde aber gleich einer Truppe sehr freundlicher Jungs aus Fulda vorgestellt, die mich gleich in ihre Runde aufnahmen. Ich war erstaunt, dass sie sich so offen und herzlich um mich als einzigen „Ausländer“ gekümmert haben. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Sie waren nicht nur Freunde, sondern auch Sangeskollegen – von ihrem spontanen, mehrstimmigen Geburtstagsständchen war ich schwer beeindruckt. Daniel war einer von dieser Truppe und seine Offenheit, sein ehrliches Interesse und seine Lustigkeit kombiniert mit der Musikalität haben mich fasziniert. Ich bin nach dem Auslandsjahr nach Edinburgh zurückgekehrt, um mein Studium zu Ende zu bringen. Als ich in 2001 zwei Jahre in München lebte, blieben wir in losem Kontakt, zumal zufällig auch ein Schulkollege Daniels zu der Zeit in München war. Mir fehlte allerdings mein geliebtes Edinburgh und nach zwei Jahren habe ich ein weiteres Studium dort aufgenommen. Ich hatte gerade meine neue Wohnung bezogen, als Daniel einen Besuch ankündigte. Ich habe mich sehr gefreut, ihm meine „Heimat“ zeigen zu können. Ich habe ihn durch die ganze Stadt geschleppt –ich glaube, er war fast froh, wieder in den Flieger zu steigen! Aber spätestens da war klar, dass die gegenseitigen Besuche nun regelmäßiger sein würden. Geheiratet haben wir allerdings erst ein paar Jahre später. Das gemeinsame Leben hier ist geprägt von einer sehr positiven Attitüde und wir leben (meistens!) nach dem Motto „No risk, no fun“. Daniel ist eine unglaublich geradlinige, treue und zuverlässige Person, die aber auch Spaß versteht und Menschen schnell für sich gewinnen kann. Er ist allerdings ein Widder und Widder müssen manchmal mit dem Kopf gegen die Wand hauen, bevor sie einem glauben, dass die Wand hart ist.

 

 

 

 


Uta und Axel Reiche
Seit 43 Jahren sind Uta und Axel ein Paar. Kennengelernt haben sie sich an den „Toren der Psychiatrie“, wie Axel gern betont. Drei Jahre später heirateten sie. Inzwischen leben sie in Fulda und haben zwei erwachsene Kinder.



Uta Wolpers-Reiche, 65 Jahre alt, Krankenschwester in Rente:
Ich war Anfang 20 und hatte einen Praktikumsplatz in der Landespsychiatrie auf dem Eichberg in der Nähe von Eltville. Um dorthin zu kommen, musste ich von der Bushaltestelle immer einen steilen Berg hochlaufen. Irgendwann stand unten am Tor ein knalloranger Käfer neben mir. Der Fahrer fragte mich, ob ich mitfahren wolle. Vom Aussehen her war er überhaupt nicht mein Typ: Rote Haare, extrem hager, überhaupt nicht mein Beuteschema. Aber tatsächlich passierte das dann öfter und es war immer ganz locker. Wir haben uns gut unterhalten, hatten immer etwas zu reden. Ich glaube, es ging um Ansichten, die man so hatte, Politik und Musik. Ich habe mich dann immer mehr auf diese Mitfahrgelegenheit gefreut und fand es schade, wenn er mal einen anderen Dienst hatte und nicht am Tor stand. Irgendwann hat er mich sogar am Bahnhof abgeholt, damit ich nach der Zugfahrt nicht auch noch Bus fahren musste. Und es ging noch weiter: Er hat mich irgendwann sogar zu Hause abgeholt. Er hatte schon immer mal gesagt, dass ich mal bei ihm zu Hause einen Kaffee trinken könnte. Ich wusste, dass er in einer WG wohnte, das war ganz fremd für mich, aber auch interessant. Also bin ich wirklich nach dem Dienst mal mit ihm mitgekommen. Tja, und an diesem Tag ist es dann passiert, wir haben uns geküsst.

Axel Reiche, 64 Jahre alt, Krankenpfleger in Rente:
Wir haben uns an den Toren der Psychiatrie kennengelernt. Da habe ich damals gearbeitet, und sie hat auf einer anderen Station ein Praktikum gemacht. Ich bin also durch das Tor hoch zur Psychiatrie gefahren und habe sie rechts auf der Seite laufen sehen. Sie hatte eine blaue, weit ausgestellte Hose aus Samt an und ein kurzes Fellwestchen. Hat mir gut gefallen. Ich hab sie also gefragt, ob ich sie mit nach oben nehmen soll. Sie ist  eingestiegen und wir sind ins Gespräch gekommen. Dabei kam raus, was sie für einen weiten Arbeitsweg hatte. Ich habe ihr also angeboten, sie in Eltville am Bahnhof mitzunehmen. Je mehr wir miteinander gesprochen haben, desto mehr haben wir übereinander erfahren. Irgendwann habe ich sie dann zum Kaffee in meine WG eingeladen und was soll ich sagen, es hat gefunkt, und wir haben uns zum ersten Mal geküsst.

 

 

 

 

Michael Wirth und Janina Brähler
Es gibt viele Paare, die sich am Arbeitsplatz kennenlernen. So auch Janina und Michael. Die beiden arbeiten im antonius Laden und haben sich vor vielen Jahren hier kennengelernt. Wie genau, wissen beide nicht mehr. Aber Michael kann sich noch ziemlich gut an das Gefühl erinnern, das er hatte, als er und Janina sich zum ersten Mal geküsst haben.

Michael Wirth, 42 Jahre alt, arbeitet im antonius Laden:
Wir sind 14 Jahre lang zusammen. Wir haben uns an der Arbeit kennengelernt, wir schaffen beide im Bio-Laden. Da arbeite ich schon seit über 20 Jahren. Janina hat später als ich angefangen. Das ist aber schon so lange her, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wie wir uns zum ersten Mal gesehen haben. Ich weiß nur noch, dass ich gedacht hab, die ist so süß, die nimmst du dir, bevor sie jemand anders wegschnappt. Ich finde, dass sie so eine schöne Frau ist. Am liebsten mag ich ihr Lächeln. Wir waren dann erst mal Arbeitskollegen. Wir haben uns gut vertragen. Sie hat bei ihren Eltern gewohnt. Da haben wir uns dann, glaube ich, auch zum ersten Mal geküsst. Es hat am ganzen Körper gekribbelt. Wir waren auch schon Fastnachtspaar von antonius und tanzen zusammen Discofox. Wir tanzen uns so durchs Leben. Wir gehen auch gern zur Fastnacht in Kämmerzell, wo Janina herkommt. Seit vier Jahren wohnen wir jetzt auch zusammen. Das war eine Idee von uns beiden. Manchmal ist es nicht so leicht, wenn man zusammen wohnt und zusammen arbeitet. Unsere Kollegen fanden es schön, dass wir zusammengekommen sind. Aber manche haben auch gesagt, dass wir es lieber lassen sollen. Weil es als Paar am Arbeitsplatz Konflikte geben kann.

Janina Brähler, 36 Jahre alt, arbeitet im antonius Laden:
Wir sind schon so lange zusammen. Ich glaube, 14 Jahre. Kennengelernt haben wir uns im Laden, als ich angefangen habe, dort zu arbeiten. Ich fand ihn von Anfang an gut. Irgendwie haben wir uns dann da kennengelernt. Ich habe noch bei meinen Eltern gewohnt. Irgendwann sind wir beide dann zusammengezogen. Jetzt haben wir eine kleine Wohnung. Viel größer darf sie nicht sein, weil der Kostenträger das sonst nicht bezahlt. Mir gefällt an ihm am besten seine Ausstrahlung. Von Anfang an. Ich fand ihn toll, dachte, das ist bestimmt ein cooler Typ. Jetzt sind wir 24 Stunden am Tag zusammen. Das ist schön.

 

 

 

 


Nina Fuchs und Daniel Leibach
Daniel und Nina sind seit zwölf Jahren ein Paar. Auch, wenn das fast an der Moral von Nina gescheitert wäre. Sie hatte damals nämlich einen Freund. Daniel hat trotzdem nicht lockergelassen, und heute sagt sie über ihn, dass er so etwas wie ihr Seelenverwandter ist.



Daniel, 31 Jahre alt, Mikrobiologe:
Nina war mit dem Sänger der Band zusammen, in der ich damals gespielt habe. Irgendwann wurde eine Bandprobe angesetzt, bei der alle Mitglieder ihre Freundinnen mitgebracht haben, um zu zeigen, wie toll sie sind. Ich kam
also in den Raum rein und sie ist mir gleich aufgefallen. Ich fand sie super hübsch und ein bisschen mysteriös. Ich habe sie die ganze Probe lang angestarrt. Angesprochen habe ich sie aber erst später. Bei einem Konzert von der Band. Ich weiß noch, dass meine Bandkollegen alle backstage saßen und total aufgeregt waren. Ich wollte da nicht rumsitzen, also bin ich vor die Bühne. Und da war auch sie und hat mich gefragt, ob sie meinen Führerschein haben kann, um damit Kippen zu kaufen. Ich hatte aber keinen. Da war sie erst mal verwirrt, weil sie mich Auto fahren gesehen hat. Ich habe gesagt: „Ein Auto fährt mit Benzin und nicht mit einem Führerschein.“ Das waren unsere ersten Worte. Weiter ging es dann bei ICQ, das war damals ein angesagter Messenger im Internet. Da haben wir, nachdem wir einige Zeit hin- und hergeschrieben haben, festgestellt, dass da mehr zwischen uns beiden ist. Trotzdem wollte sie mir nicht mal einen kleinen Kuss geben, weil sie ja eigentlich noch ihren Freund hatte. Das hat mir sehr imponiert. Als sie mit ihm dann Schluss gemacht hat, war ich der glücklichste Mensch der Welt. An ihr mag ich einfach alles und ich könnte jede freie Minute mit ihr verbringen.

Nina, 30, angehende Auszubildendezur Berufskraftfahrerin:
Ich war eigentlich mit jemand anders zusammen. Nämlich mit dem Sänger der Band, in der er Bassist war. Irgendwann bin ich mal mit zu einer Probe gekommen. Da saß Daniel ein bisschen kaputt in der Ecke, er war krank an dem Tag. Na ja, und er hat mich eben die ganze Zeit angestarrt. Um ehrlich zu sein, habe ich mich ein bisschen beobachtet gefühlt. Ich fand ihn aber sehr lustig, wie er da so in seiner Ecke rumgesessen hat. Aber ich bin ein loyaler Mensch und hatte damals einen Freund. Deswegen habe ich mir da nicht viel gedacht. Irgendwann kam aber dieser Auftritt und mein damaliger Freund war total aufgeregt und saß hinter der Bühne. Daniel hatte draußen Spaß und ich wollte auch lieber Spaß haben, also bin ich zu ihm. Ich wollte dann Zigaretten am Automaten kaufen und hab ihn gefragt, ob ich seinen Führerschein haben kann. Er hat gesagt: „Nö, habe ich nicht“. Ich hatte ihn aber Autofahren sehen. Er meinte dann: „Ein Auto fährt mit Sprit.“ Das war ein ganz schön dummer Spruch. Aber daraufhin ist alles ins Rollen gekommen. Daniel überrascht mich wirklich immer mit seinen Antworten. Da kommt nie eine Null-Acht-Fünfzehn-Antwort. Das find ich auch nach zwölf Jahren so toll an ihm. Irgendwie habe ich dann gemerkt, dass da mehr war und dass mein Ex-Freund mir im Gegensatz zu Daniel nicht das gegeben hat, was ich wollte. Daniel und ich hatten immer weiter Kontakt. Ich konnte mit ihm über alles reden, irgendwie war er wie ein Seelenverwandter. Nachdem ich dann mit meinem damaligen Freund Schluss gemacht hatte, haben wir uns zum ersten Mal geküsst. Und bis heute machen wir alles miteinander.

 

Zurück