firswenten sie sich

Das althochdeutsche Wort firswenten führt Sie mitten ins Hauptthema der aktuelle Ausgabe des SeitenWechsels.

Falls Ihnen das Wort nichts sagen sollte, hier einige neuzeitliche Bedeutungen: sein Vermögen durchbringen, verprassen, Geld mit vollen Händen raushauen und unter die Leute bringen, Geaase, Gepränge, verbuttern, verjubeln – allesamt negative Bedeutungen. Firswenten heißt heute: verschwenden.

Vor etwa 1000 Jahren hatte es eine etwas andere Bedeutung, es hieß etwas verschwinden machen. Das hatte auch einen positiven Beiklang: Dinge verschwinden, indem sie in überreichem Maße als Gabe dargebracht werden. An Götter oder auch Menschen. Gemeint war die Haltung, nicht etwas berechnend für sich selbst aufzusparen, sondern freigiebig zuzulassen, dass es weniger wird und zuletzt verschwindet. Auch sich selbst für etwas zu verschwenden, sich ganz für etwas zu verausgaben, gehört zu den positiven Lesarten.

Etwas von dieser Haltung war noch im Selbstverständnis des Adels spürbar. Wer sich verausgabte, bewies großen Stil. Natürlich sollte auch das soziale Prestige gesteigert werden. Aber genau von dieser Verschwendung profitierten nun ganze Handwerks- und Industriezweige, was wiederum die Grundlage eines breiteren Wohlergehens schuf. Schon damals deutete sich ein scheinbar logischer Zusammenhang an: Ohne Verschwendung kein Wohlstand, keine Innovation!

Genau in diesem Sinne werden wir auch heute von der Werbung umgarnt: Verschwende! Kaufe, was du nicht brauchst, und kaufe viel davon! Gebrauche es kurze Zeit und wirf es dann weg, um Platz für Neues zu schaffen! Wollte jeder seine besten Stücke, von denen Sie in diesem Heft eine schöne Auswahl kennenlernen werden, solange gebrauchen, bis sie nicht mehr repariert werden können, würde uns das in den Untergang führen. Gibt es gar eine moralische Pflicht zur Verschwendung? Wohl kaum, denn die Schatten unserer Verschwendungssucht werden immer länger.

Zum Glück regt sich Widerstand. Die Logik der Wirtschaftswunderzeit ist brüchig geworden. Besonders im Umgang mit unseren Lebensmitteln ist es Zeit, über einen Seitenwechsel nachzudenken. Wir haben uns an eine gigantische Verschwendung gewöhnt und blenden den Preis aus, den unsere Böden, die Tiere und auch die produzierenden Menschen dafür bezahlen müssen. Es ist die große Aufgabe der Zukunft, zu beweisen, dass Wohlergehen auch ohne Verschwendung möglich ist. Kleine Lösungsansätze stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe vor. Es wird aber, wie so oft, davon abhängen, wie viele mitmachen. Sind Sie dabei? Können Sie sich dafür verschwenden?

In diesem Sinne eine spannende Lektüre
Ihr Hanno Henkel & das Redaktionsteam

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