HELLO I AM DAVID

Ein Kinotipp von Jens Brehl

Beim Musizieren denkt er nicht an Noten, sondern an Bäume und Vögel. Der Pianist David Helfgott ist ein Phänomen. Es kann passieren, dass er bei einem Klavierkonzert ein wenig aus dem Takt gerät, weil er sich gerade so darüber freut, dass eine Flöte mit ihm spielt. Auch trifft er schon mal einen falschen Ton, weil er sich seinen Gefühlen folgend zu experimentieren traut. Für Zuhörer zunächst ungewöhnlich ist auch seine Eigenart, während des Spielens unablässig vor sich hinzureden. Dafür offenbart sein rückhaltloses Spiel, welch große emotionale Kraft die einzelnen Stücke besitzen. Und er erreicht eine musikalische Präsenz, von der viele Perfektionisten nur träumen können. Aber genau das gefällt nicht allen: Kritiker stellen immer wieder offen oder zwischen den Zeilen infrage, ob ein kranker und behinderter Mensch wie er öffentlich spielen darf. Helfgott hat eine schizoaffektive Störung, was eine besondere Form von Autismus ist.

Als Kind war schnell sein außergewöhnliches musikalisches Talent aufgefallen. Er gewann zahlreiche Preise. Doch als er auf sich allein gestellt im fernen London Musik studierte, geriet seine Welt aus den Fugen. Er bekam Angstzustände, wurde immer konfuser. So vergaß er zu essen oder verließ das Haus ohne Schuhe. Nach einem Nervenzusammenbruch wurde er in seine Heimat Australien zurückgeschickt und verbrachte hier elf Jahre in Nervenheilanstalten. Erst als ihn ein Freund der Familie dort herausgeholt und Helfgott wieder langsam zu den Tasten gefunden hatte, begab er sich auf seinen Weg zurück ins Leben. Auch die Liebe seiner heutigen Frau Gillian gibt ihm Kraft. Helfgott bringt das rings um ihn herum durchgetaktete Leben auf charmante, aber auch anstrengende Art durcheinander. Er lebt im Moment, kennt keine Vorbehalte, kann kaum stillsitzen, äußert alles, was ihm durch den Kopf geht, und sieht in allem das Gute. So geht er auf fremde Menschen zu, stellt sich vor und umarmt sie. Bei einem Abflug verabschiedet er sich vom Bodenpersonal wie von jahrelangen engen Freunden. Unsere Welt sieht er mit den Augen eines Kindes und er überrascht sein Umfeld immer wieder mit weisen Bemerkungen.

Regisseurin Cosima Lange begleitete das ungleiche Paar David und Gillian Helfgott sieben Wochen auf einer Konzerttournee. Herausgekommen ist mit „Hello I am David!“ ein einfühlsamer Dokumentarfilm, der Helfgott nicht nur als Musiker, sondern vor allem als Mensch zeigt.

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Welche ungewöhnlichen Wege die Autorin beim Dreh gehen musste, verrät sie in einem ausführlichen Interview:

www.der-freigeber.de/wer-david-helfgott-diemusik-nimmt-der-nimmt-ihm-sein-leben/

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