Kennen Sie den?

Eine Beobachtung von Anna-Pia Kerber

Zum Unterschied von männlichem und weiblichem Humor

Kennen Sie den schon? Diesen Witz, bei dem ein Pfarrer, ein Jäger und ein … Natürlich kennen Sie den. Und Sie mögen ihn nicht mehr hören. Nicht zum fünfzigsten Mal. Es sei denn, dieser wirklich witzige Nachbar erzählt ihn und verzieht dabei so herrlich das Gesicht. Oder ihr Lieblingsopa, oder dieser lustige Busfahrer oder … Sie wissen, was gemeint ist. Manche Witze funktionieren nur durch den Erzähler. Und der ist meistens – männlich.
Choreographierte Witze liegen vorwiegend in Männerhand. Durchdacht, inszeniert, mit einer logischen Pointe. Männer merken sich diese Choreographien, geben sie gerne als die eigenen aus und bringen sie bei vielen Gelegenheiten zum Einsatz.
Fragt man dagegen Frauen, ob sie spontan einen Witz erzählen, erntet man meist ein genervtes „Mir fällt gerade keiner ein“. Viele Männer sind daher der Ansicht, Frauen könnten nicht witzig sein. Ist das so?

Natürlich nicht. Das Problem liegt vielmehr in der Definition von Humor. Denn Frauen und Männer haben eine völlig unterschiedliche Vorstellung davon, was witzig ist.
Im Bekanntenkreis gefragt sind sich die Männer schnell einig: Wenn sie gezielt lachen wollen, sehen sie sich Comedy an. Und merken sich die Witze. Um sie dann weiterzuerzählen. Es scheint ein einfaches Konzept zu sein.
Fragt man Frauen, stellt sich die Sache nicht ganz so einfach dar. „Situationskomik“ ist das Wort, das häufiger fällt. Wie ist das gemeint? Das menschliche Miteinander ist komplex und bietet jede Menge Raum für Konflikte, Missverständnisse – und Humor. Um Situationskomik zu erkennen, braucht es ein feines Gespür. Und Beobachtungsgabe.

Frauen achten im Gespräch auf viel mehr als nur auf das gesprochene Wort. Neben dem reinen Inhalt erfassen sie automatisch Stimmung und Energie des Gegenübers. Dass sie mitunter über etwas ganz anderes lachen als das gesprochene Wort, scheint an den Männern vorbeizugehen. Eine Freundin berichtete: „Bei einer Party erzählte ein Kerl am laufenden Band Witze. Die waren nicht mal besonders lustig, aber ich habe trotzdem gelacht, weil er sich dabei so aufgeblasen hat wie ein Gockel. Er hielt sich wirklich für den Allerlustigsten. Das fand ich zum Schreien.“
Das Witzeerzählen bei Partys als zielgerichteter Humor, um das andere Geschlecht zu beeindrucken: ein ebenfalls männliches Phänomen. Und lustig zu beobachten:
auf der männlichen Seite Stolz geschwellte Brust, auf der weiblichen Seite ein angestrengtes Lachen. Ein Lachen, das sich nach dem dritten Kalauer in den Mundwinkeln erhängt.
Humor als Balzstrategie ist allerdings nicht die schlechteste – wenn sie sorgfältig gewählt wird. Auch darin sind sich die Mädels einig: Ein feinsinniger Humor kann mehr beeindrucken als aufgesetzte Seriosität oder ernstes Nachfragen.
Und was beide Geschlechter beeindruckt: die Selbstironie. Wer über sich selbst lachen kann, punktet überall. Es ist ein Zeichen, dass man über den Dingen steht. Dass man in sich ruht. Und die Gelassenheit hat, über Missgeschicke hinwegzugehen. Wer sich selbst nicht zu ernst nimmt, hat man den Eindruck, wird in allen Lebenslagen zurechtkommen. Und wem es gelingt, in einer peinlichen Situation einen Witz über sich selbst zu machen, der hat gewonnen.
Wie die Beobachtung des Comedians Michael Mittermeier in der U-Bahn: Eine elegante Geschäftsfrau steht im fast leeren Abteil und fühlt sich unbeobachtet. Ungeniert und ausholend bohrt sie sich in der Nase und betrachtet, was daraus zum Vorschein kommt. Mittermeier auf seinem Sitzplatz kann den Blick nicht abwenden. Er starrt sie überrascht an. Bis sie sich herum dreht und ihn ansieht. Und statt peinlich berührt zu sein trocken sagt: „Das zieht sich.“

Körperfunktionen, Ausdünstungen, Erguss: abgesehen von dieser Ausnahme sonst ein definitiv männliches Feld des Humors. Männer untereinander neigen zum und lachen über Fäkalhumor – mit dem man Frauen wenig beeindrucken kann. Mit dem guten alten Freud gesprochen würde man meinen, dass Männer noch immer in der analen Phase festhängen: Alles, was sich unterhalb der Gürtellinie abspielt, ist faszinierend, anregend oder zumindest witzig. Auf jeden Fall bietet es ausreichend Diskussionsstoff.
Frauen dagegen empfinden Fäkalhumor als peinlich bis abartig. Dazu erzogen, bei jeder Gelegenheit makellos gepflegt, gestylt oder zumindest allumfassend reinlich zu sein, fällt es Frauen schwerer, über Fäkalhumor zu lachen. Sie sind konditioniert, Hygiene als oberstes Gebot zu achten – und als etwas, worüber man keine Witze macht.
Männer berichten ungeniert von ihrer Verdauung – ob man es nun hören möchte oder nicht. Und während die anderen Männer in der Runde darüber in Gelächter ausbrechen, machen die Frauen ein Gesicht, als wären sie gerade auf eine tote Maus getreten.
Womit kann man also Frauen zum Lachen bringen?
Mit einer Mischung aus Beobachtungsgabe, Ironie und Diplomatie. Wer eine entgleisende Situation retten kann, ohne dabei jemandem zu nahe zu treten – und das mit einem feinsinnigen Humor –, der hat sie auf seine Seite gebracht.
Und der Witz von dem Pfarrer, dem Jäger und dem … nun ja, den finden Frauen auch gar nicht witzig. Sie amüsieren sich allerdings königlich, wie der Nachbar seine eigene Witzigkeit feiert. Und müssen einfach mitlachen. 

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