Menschen & Motive

Die Gesichter von Wolfgang Mihm und Michael Bleuel haben sich eingegraben: sympathisch, wandlungsfähig, hellwach. Seit zwanzig Jahren erfüllt das Comedy-Duo die Aufgabe des wichtigsten regionalen Humorversorgers. 

Ihr Theater-Kabarett trumpft mit einen Mix von Klamauk, geistreichem Wortwitz und Hintersinn auf. Was treibt die beiden an? Warum tun sie sich den Bühnenstress an? Wie ist es, wenn mal niemand lacht?

SW: Auf der Bühne präsentiert ihr euch als extreme Gegensätze. Ist das auch in Wirklichkeit so?

Bleuel: Ja, ich hab in Wirklichkeit Haare und er .... [lacht]. Gegensätze sind da, definitiv. Wir ticken unterschiedlich.

Mihm: Für unsere Bühnenrollen haben wir einfach die unterschiedlichen Anlagen kultiviert. Aber wir ergänzen uns. Beim Texten etwa macht Michael häufig den Erstschlag, den spielerischen Wortwitz, während ich strukturiere und versuche, das substanziell zu entwickeln.

Bleuel: Ein elementarer Unterschied ist: Er ist ein Nachtmensch, ich ein Tagmensch. Wie Lerche und Nachtigall – oder war’s die Eule? 

Mihm: Die Bühnenzeit am Abend ist jedenfalls die letzte mögliche Schnittmenge.

SW: Wie „anders” muss man sein, um Komiker zu werden? Merkt man das bereits als Kind?

Mihm: Ich bin am Rosenmontag geboren. Kein Witz. Ich hatte also gar keine andere Wahl.

Bleuel: Als Kind war ich schüchtern. Selbst Freunde waren überrascht, mich auf der Bühne zu sehen: „Du machst so was? Du schwätzt doch sonst nix!” Ich war etwa 13, als meine andere Seite durchbrach.

Mihm: Ich war als Kind wohl schon ein lustiges Kerlchen – dann kam ich in die Schule [grinst]. Da hab ich das irgendwie verloren. Ein Klassenclown war ich nicht. Zu Hause haben wir einen Schreinereibetrieb mit Pietät. Ich bin da schon mit zwölf Jahren mitgefahren. Das hat mich sicher geprägt. Aber so habe ich früh gelernt, dass zum Leben der Tod gehört. Wie zum Humor der Ernst, zum Licht der Schatten, zum Bleuel der Wolf. Auf der Bühne hab ich das Komische wiedergefunden.

SW: Entwickelt man mit der Zeit eine besondere Wachsamkeit für Menschen und Situationen?

Bleuel: Klar, man schaut gleich durch die Komiker-Brille.

Mihm: Beispiel: Tag der offenen Tür in der Landesbibliothek. Wir beide warten mit anderen im Foyer auf den Mitarbeiter, der die Führung macht. Dieser kommt und fragt zwei ältere Damen: „Wollen Sie auch zur Restaurierung?“ Die Einzigen, die sich gebogen haben vor Lachen, waren wir.

Bleuel: Permanent entwickeln sich Flausen im Kopf. Das ist schon fast zwanghaft.

Mihm: Wir nennen das Comedy-Tourette ... ein unkontrollierbarer Reflex.

Bleuel: „Ich habe kein Ankleidezimmer, aber einen Ausziehtisch.”

Mihm: Flause! Das ist Training, sozusagen Fingerübungen mit dem Mund.

Bleuel: Nervt natürlich die Leute im engen Umfeld. Aber wir müssen unseren Flausenstau schließlich loswerden. Und was hilft da besser als die Bühne?

SW: Ach ja, Gratulation zu eurem zwanzigjährigen Bühnenjubiläum!

Bleuel: Danke. Eigentlich sind es ja gefühlte fünfzig.

Mihm: Ich mache ja mittlerweile betreuendes Kabarett. Ich freu mich immer, wenn er die Bühne überhaupt noch alleine findet.

SW: Bei solchen Jubiläen fragt man natürlich nach dem Anfang.

Mihm: Unsere Eltern waren in Hofbieber aktive Theaterspieler. 

Bleuel: Wie gesagt, ich war ziemlich schüchtern. Der Knoten ist geplatzt, als wir im Rahmen eines Elternabends in der Schule eine Pantomime aufführten. Kam super an. Die Show wurde dann noch mal in der Jugendgruppe des „Gesangvereins 1882 Hofbieber“ gespielt, in die ich inzwischen eingetreten war. Von da an gab’s kein Halten mehr.

Mihm: Ich bin dann dazugestoßen.

Bleuel: Deine erste Rolle war ein Baby!

Mihm: Aber schon stubenrein.

Bleuel: Diese kleine Jugendbewegung bestand aus fast 40 Jugendlichen. Wir haben kleine Minnirevuen entwickelt und damit die Region beglückt.

Mihm: Nach 13 Jahren hat sich das aufgelöst, weil die Leute ihrer Wege gegangen sind mit Hochzeit, Studium usw. Wir sind übrig geblieben. Da hab’ ich gesagt: „Los, lass uns zu zweit was machen!“

Bleuel: Karneval 1993 war dann die Geburtsstunde von „Quatsch m.i.t. Soße“.

SW: Wer euch länger kennt, weiß, dass sich euer Format sehr verändert hat in den Jahren.

Mihm: Ja, das ist spannend: erst Pantomime, dann lernten wir sprechen, später kam die Gitarre dazu bis hin zur Fummel-Show, also mit möglichst vielen Kostümen.

Bleuel: Dann wieder reduziert in Richtung Stand-up. In den letzten 3–4 Abendprogrammen haben wir uns verstärkt auf Szenen und Dialoge konzentriert.

Mihm: Das Publikum fällt dadurch eher in die Betrachterrolle. Aber durch diese Form und den dramaturgischen Überbau bekamen wir einen Fuß in die Tür von kleinen Stadttheatern, die sonst Comedy gar nicht auf dem Spielplan haben.

Bleuel: Dieser Schritt war letzten Endes richtig.

Mihm: Unser Stil-Mix passt nicht in übliche Schubladen. Für das Publikum ist es erst mal einfacher, wenn es weiß: Ah, das ist ein Brecht-Abend: Klavier und Sprechtexte. Oder das ist jetzt Mario Barth: Thema „Mann – Frau“, auf die Zwölf! Ist auch okay. Wie eine Salami-Pizza, man weiß genau was man kriegt.

Bleuel: Schmeckt halt immer gleich ... wir machen noch ein bisschen Pfifferlinge drauf ...

Mihm: … und scharfe Peperoni, und plötzlich liegt da noch ne süße Feige.

SW: Woher kommen eure Ideen?

Bleuel: Unterschiedlich. Manchmal hat man ein Thema und sucht Pointen dazu, manchmal ist erst die Pointe da, und man entwickelt daraus eine Nummer.

Mihm: Ansonsten hilft Rotwein.

SW: Hat es immer mit euch selbst zu tun?

Mihm: Vor 20 Jahren war hier im Grenzgebiet noch ein Kleinkunstbrachland. Wir mussten uns aus eigener Kraft hocharbeiten, mit eigenen Texten und Ideen, ohne Schauspielschule und Agentur im Rücken. Schon deswegen hat alles stark mit uns zu tun.

Bleuel: Mir fällt es heute noch manchmal schwer, meine Person und die Rolle zu trennen.

SW: Wie oft probt ihr?

Bleuel: Wir probieren, jeden Tag zu proben … also das Proben zu proben.

Mihm: Flause! Um zwei Stunden Text locker über die Rampe zu kriegen, musst du regelmäßig proben. Wer was anderes sagt, lügt.

SW: Euer aktuelles Programm, „Alles Gute“, steht ja. Übt ihr trotzdem weiter?

Mihm: It´s a working process. Für eine Premiere ist zwar alles auf den Punkt inszeniert, aber wie sagt man in der IT-Branche: „Das Produkt reift beim Kunden.“ 

Bleuel: Wie sich eine Nummer ins Programm einfügt und ob die Pointen wirklich sitzen, merkt man erst mit der Zeit. Dann werden noch mal Schräubchen gedreht.

SW: Unterscheidet sich das Fuldaer Publikum von dem anderer Städte?

Bleuel: Klar, hier haben wir einen Heimvorteil, die Leute kennen uns und haben unsere Entwicklung mitgemacht. Es macht schon stolz, vor ausverkauften Häusern zu spielen.

Mihm: Wir ernten jetzt das, was wir 20 Jahre gesät haben. An dieser Stelle ein großes DANKE an unsere Homebase.

Bleuel: Jawoll! Und das Schöne: Es funktioniert auch „out of Rhön“.

Mihm: Da zeigt sich der Vorteil eines sauber inszenierten Stückes. Die Vorpremiere von „Alles Gute“ haben wir auf Rügen gespielt. Im historischen Theater Putbus, herrlich. Wir waren angedockt an die Kabarett-Regatta, das bedeutet drei Wochen lang politisches Kabarett. Ich dachte: Das funktioniert nie, wir sind gesellschaftskritisch, klar, aber nicht im klassischen Sinne politisch. Wir haben zwei Abende vor vollem Haus gespielt, und die Leute haben gelacht, waren berührt und begeistert.

SW: Euer Programm ist sehr anspruchsvoll im Vergleich zu dem, was man so im Fernsehen sieht. Warum sieht man euch dort so gut wie nicht?

Bleuel: Es ist doch furchtbar eng in so einem Flatscreen.

Mihm: Nicht wenn die Gags flach genug sind. Gut, das TV ist nach wie vor der größte Multiplikator, und ein kurzer Auftritt bei Pispers oder Nuhr wäre sicher hilfreich.

Bleuel: Aber es ergeben sich auch so spannende Kontakte, wir spielen z. B. im Mai auf der etablierten Berliner Kabarettbühne „Distel“.

SW: Habt ihr im „Ausland“ mehr Lampenfieber? Oder kennt ihr das nicht mehr?

Bleuel: Oh, doch, doch! Und das wird immer schlimmer.

Mihm: Ein Schauspieler hat mal gesagt:„Je älter ich werde, um so schlimmer wird es, weil ich weiß, wie viel danebengehen kann.“

SW: Ist die Anfangszeit also die schönste Zeit?

Bleuel: Man ist freier, unbelastet.

Mihm: Als 20-jähriger hüpfst du auf die Bühne und machst dir keine Gedanken. Man verzeiht dir auch ein paar Patzer.

SW: Wie ist das, wenn keiner lacht?

Bleuel: Wenn keine Lacher kommen, die Leute wegschauen, sich unterhalten, und du hast noch 40 Minuten vor dir, das ist grausam. Da stirbst du. Ist zwar selten, aber alles schon erlebt.

Mihm: Ich erinnere mich an eine Firmengala im Norden: Hochwertiges Ambiente, üppiges Buffet, Publikum im feinen Zwirn. Wir dynamisch rauf auf die Bühne, aber während des gesamten Auftrittes null Reaktion.

Bleuel: Gruselig.

Mihm: Im Nachhinein entschuldigte man sich bei uns. Die Teilnehmer hatten kurz vor der Show erfahren, dass sie durch eine Umstrukturierung Millionenverluste erleiden würden, da war die Laune am Südpol. Jeder Abend ist anders und hat Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Aber da greifen unsere Erfahrungswerte. Man stirbt nicht mehr so wie früher.

Bleuel: Ja, es stirbt sich … kontrollierter.

SW: Warum habt ihr euch von dem Namen „Quatsch mit Soße” verabschiedet?

Mihm: Das war ’ne schwere Entscheidung. Immerhin haben wir zehn Jahre daran gearbeitet, dass der Name zur Marke wird. Mit Erfolg. Dann meinte der Veranstalter des deutschen Kabarett-Festivals: „Ihr seid klasse, aber überall, wo ich euch vorstelle, heißt es: ‚Es gibt genug Quatsch in diesem Comedy- Boom, wir wollen wieder etwas mit Substanz.‘“

Bleuel: Viele haben nicht mal in unser Demo reingeschaut, nur aufgrund des Namens. Zwei Jahre haben wir überlegt und uns dann entschieden. Ideen für einen lustigen neuen Namen hatten wir viele, aber letztlich ist es der neutralste geworden.

Mihm: Damit kann man Kinderschminken, einen Brecht-Abend machen oder eine Anwaltskanzlei eröffnen: Es sind immer „Wolf und Bleuel”.

SW: Seid ihr eigentlich hauptberuflich Komiker?

Mihm: Ich bin seit sieben Jahren hauptberuflich komisch. Vorher war ich Buchbinder. Das war okay, aber ich habe immer gedacht: Das bin ich nicht. Zuerst hab ich die Arbeitszeit reduziert und schließlich zu mir gesagt: Los jetzt, probier‘s aus!

Bleuel: Ich arbeite Teilzeit bei JUMO in der Musterfertigung. Ich habe gebaut und muss das Haus finanzieren. Zeitlich wird es manchmal eng, aber ich habe zum Glück einen flexiblen Arbeitgeber.

SW: Hat sich euer Leben durch eure Bekanntheit verändert? 

Mihm: Wenn ich durch die City gehe, werde ich häufiger angesprochen. Letzte Woche z. B. kam ich aus einem Cafe, da kommt eine Frau um die Ecke, sieht mich und bekommt einen heftigen Lachkrampf. Sie hat sich dauernd entschuldigt. Wenn ich jemanden zum Lachen bringe, ist es doch wunderbar.

Bleuel: Geht auch anders: Ich musste mal zur Enddarmspiegelung. Der Arzt lacht: „Ha, ha, der Herr Bleuel, das ist ja lustig.“ Daraufhin haben sich die ganzen Krankenschwestern um mich versammelt. Alle kannten mich. Ich sagte verlegen: „Sie werden mich jetzt von einer anderen Seite kennenlernen!“

SW: Haben Sie das Gefühl, immer lustig sein zu müssen?

Bleuel: Na ja, … immer lustig sein zu müssen, muss nicht immer lustig sein, denn man will ja nicht immer, wenn man muss, aber manchmal muss man eben, auch wenn man nicht will.

Mihm: Flause! Aber stimmt so.
SW: Wie ist das auf der Bühne, wenn man z. B. gerade ein schlimmes Erlebnis hatte?

Mihm: Da hattest du ja ein konkretes Beispiel in 2013 ...

Bleuel: ... ja, meine Mutter war gestorben und wir spielten am darauffolgenden Tag. Da lief ich auf Autopilot.

Mihm: Es war seine Entscheidung.

Bleuel: Es nützt ja nichts, habe ich gedacht. Es ist mein Job.

Mihm: Da hilft die Technik. Die Dialoge haben dann nicht diesen Esprit, aber man kommt durch, weil der Text dicht ist und die Soll-Lachstellen funktionieren.

SW: Man muss eine gewisse Sympathie mit Menschen haben, wenn man humorvoll mit seiner Schrägheit umgeht. Mögt ihr Menschen?

Bleuel: Ich mag Menschen. Obwohl ich oft zweifle am Geschöpf Mensch. Etwa wenn es um den Umgang mit Tieren geht ...

Mihm: ... ein Thema, das uns immer begleitet. Wir sind beide schon seit 14 Jahren Vegetarier.

Bleuel: Zum Beispiel jetzt in Australien: Haifische, die sich in Ihrem natürlichen Lebensraum bewegen, werden systematisch abgeschlachtet, damit der Mensch unbeschwert surfen kann. Da geht mir die Galle hoch.

Mihm: Ich entwickele mich immer mehr zum Misanthropen. Aber da Kabarettisten ja hoffnungslose Optimisten sind, denke ich, jeder Mensch ist grundsätzlich erst mal gut. Auf der Bühne genieße ich die Momente wenn 400 Leute mit dir gemeinsam Luft holen, wenn man spürt: Jetzt gibt es einen Gleichklang. Das lässt hoffen.

Bleuel: Letztendlich ist es auch spannend: Jeder ist anders! Das ist toll. Und jeder kommt mit einer Qualität und mit einem Talent zur Welt. Leider haben viele keine Chance, das zu entwickeln, was in ihnen steckt.

Mihm: Ja, viele denken, sie müssten sich konform verhalten. Ich kenne einige, da liegt in den Augen nur noch Asche, wo vorher mal richtig das Feuer brannte. Ich leide dann eher mit der Menschheit.

SW: Das Thema Behinderung kommt bei euch nicht vor, bzw. es kommt eigentlich überall vor ...

Mihm: Behinderung ist ein komisches Wort – Jeder Mensch hat seine Macken. Aber das auf der Bühne humorvoll zu thematisieren, birgt die Gefahr, Betroffene zu verletzten.

Bleuel: Jemand, der betroffen ist, darf das. Der ist unerschrockener.

Mihm: Eine Kollegin von uns, selbst stark behindert, beginnt ihr Programm, indem sie schonungslos auf ihren Körper verweist. Damit ist das abgehakt, und das Publikum kann sich auf die Chansons konzentrieren. Sehr beeindruckend.

SW: Wie dicht ist euer Tourplan?

Bleuel: Wir haben mittlerweile über 1500 Gastspiele gegeben. Derzeit sind es ca. 70 im Jahr. Manchmal vier in einer Woche.

Mihm: Gerade haben wir aber drei Wochen spielfrei, weil wir im Karneval nichts mehr machen.

SW: Die Komiker machen im Karneval Pause? Das ist ja schon fast eine Überschrift ...

Bleuel: Wir hatten mal einen Ausflug in den Karneval. Wir waren Sieger bei einem Nachwuchswettbewerb der Roten Funken in Leverkusen. Das bescherte uns einige Auftritte im Kölner Karneval.

Mihm: Diese Erfahrung will ich nicht missen, aber auch nicht wiederholen. Business hoch 10. Wir durften sogar vor den selbstgefälligen „Literaten“, die dort die Programme gestalten, vorspielen.

Bleuel: Wir haben unser Ding durchgezogen, aber da ist mir ein Karnevalsabend in Magdlos schon lieber! Da steckt ein ganz anderes Herzblut dahinter.

SW: Warum macht ihr, was ihr macht?

Mihm: Mir fällt da ein Zitat von Polanski ein, ich will´s ein bisschen abwandeln: „Es gibt überhaupt nur zwei Dinge im Leben, die mir Spaß machen – das andere ist die Bühne.“

Bleuel: Ich bring gerne Leute zum Lachen. Aber auch das Gegenwärtigsein ist ein wichtiges Motiv. Man sagt immer, man soll in der Gegenwart, im Augenblick leben. Da gibt es keine bessere Möglichkeit, als auf der Bühne zu stehen.

Mihm: Mein Impuls war nie, auch wenn’s unglaubwürdig klingt, zu erleben, wie toll ich bin. Mich faszinieren diese zwischenmenschlichen Schwingungen; die merkt man in dem künstlichen Rahmen einer Bühne sofort. Es ist die Atmosphäre, dieser Austausch mit den Leuten. Und es ist toll, Applaus und damit ein sofortiges Feedback zu bekommen. Das kriegen viele Menschen ja nie.

Bleuel: Das sollten sich die Unternehmer mal zu Herzen nehmen. Viele Arbeiter bringen jeden Tag ihre Leistung, bekommen aber gar keine Rückmeldung.

SW: Geht’s auch darum, die Welt zu verbessern? Wenn ihr z. B. das Fleischessen thematisiert?

Bleuel: Wir versuchen bewusst, nicht zu missionieren. Wir regen zum Nachdenken an, das reicht schon. Wenn ich den archaischen Fleischesser gebe und Wolf den eingefleischten Vegetarier, kann sich jeder seine Meinung bilden.

Mihm: Wenn man missioniert, erzeugt man sofort Rückzug. Es ist illusorisch, zu glauben, dass man was verändert. Das ist nicht unser Motiv. Wir sind in erster Linie Entertainer mit Sendebewusstsein. So war der ursprüngliche Name ja auch gemeint: „Quatsch mit Soße“.

SW: Aber die darf ruhig würzig sein. 

Mihm: Unbedingt!

SW: Geht man auch auf die Bühne, um auf eine intensive Art auf sich selbst zurückzukommen?

Mihm: Durchaus. Für mich ist Bühnenarbeit Persönlichkeitsentwicklung. Man wird selbstbewusster und sicherer. Auf der Bühne – da kann ich noch so routiniert sein – stelle ich mich jedes Mal einer Art Bewertung. Ich muss mit Situationen klarkommen, muss präsent und konzentriert sein. Ich bin selbst das Instrument, und das muss ich weiterentwickeln: Wie spreche ich, wie klinge ich? Viele sind erschrocken, wenn sie ihre Stimme hören oder sich auf einem Video sehen. Innen- und Außenwirkung differieren oft sehr. 

Bleuel: Auf der Bühne ist alles pur. Man präsentiert Körper und Geist, Stimme und Stimmung, hat Horizont und Grenzen gleichzeitig. Intensiver geht´s kaum noch.

Mihm: Aber der erste Lacher, das erste Gesicht, das dir aus der ersten Reihe zulächelt ...

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