Schwartenmagen-Burger statt Schickimicki-Sushi

Heimatfreunde: Felix Wessling und Paul Pawlowski-Rothenbücher

„Wir sollten aufhören zu glauben, dass wir ein kleines verschlafenes Städtchen sind”, sagt Gastronom Felix Wessling. „Fulda, das ist ein geiler Ort mit geilen Produkten.” Die Wörtchen „geil” und „cool” fallen häufig im Gespräch mit ihm und seinem Partner Paul Pawlowski-Rothenbücher.
Die beiden sind eben begeistert, wenn sie über ihre Heimat sprechen. Und darüber, was ihr gleichnamiges Kneipenkonzept mit ihnen selbst zu tun hat."

 

Heimatfreunde: Felix Wessling (links) und Paul Pawlowski-Rothenbücher

 

Weil es geil sei, seien sie geblieben, hier in diesem Fulda. „Ihr müsst nach Köln, Hamburg oder Berlin“, habe man ihnen gesagt, „hier könnt ihr nichts erleben!“ – „Wir sahen das anders“, erinnert sich Paul und fügt hinzu: „Es ist nicht wichtig, wo du bist, sondern was du draus machst.“ Was draus gemacht, das haben sie. 

Über viele Jahre sammelten beide Gastronomie-Erfahrungen bei der Kreuz GmbH. Paul machte dort schließlich seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann, während Felix in Frankfurt für einen international agierenden Getränkekonzern arbeitete. Paul folgte ihm dorthin nach, doch anstatt nun überregional Karriere zu machen, entschieden sie sich für die Rückkehr. Bewusst, wie sie sagen. „Wir stehen zur Region, haben hier Familie und Freunde, haben hier geheiratet, unsere Häuser gebaut. Wir mögen das hier einfach.“ Zum Glück sahen es viele ihrer Freunde genauso. Die seien zum Studieren weggezogen, dann aber zum Familiegründen zurückgekommen. Dass das auch an den „guten Fuldaer Frauen“ gelegen haben könnte, schließen sie nicht aus.

Wenn Paul und Felix über Heimat sprechen, klingt es weder hausbacken noch nostalgisch. Heimat – das ist jetzt und hier. Für sie ist die gute alte Heimat nur so lange gut, als sie sich immer neu angeeignet wird. Das schließt Veränderungen mit ein, auch mal gewagte Neuschöpfungen. Und genau so funktioniert ihr Gaststättenbetrieb.

Dass „Heimat“ als Motto für eine Kultkneipe taugen könnte, merkten sie daran, wie sehr sich ihre Freunde, die zum Studium in anderen Städten weilten, über ein mitgebrachtes Bauernbrot und eine Rhöner Stracke freuen konnten oder wie der in New York lebende Kumpel feuchte Augen bekam, als sie zwei Flaschen Hochstift und einen Schwartenmagen aus dem Koffer packten. Heimatgefühle entstehen aus vielen Anlässen, aber wenn Nase und Zunge im Spiel sind, geht's direkt ins Herz. Warum also nicht diejenigen Produkte, die verlässlich unser Heimatgefühl wecken, auch am Heimatort selbst anbieten? 

 Jenseits aller Folklore: Die Heimat am Buttermarkt

 

Wir haben so geiles Brot und geile Wurst hier in Fulda“, sagt Felix, aber natürlich sei schnell klar gewesen, dass es mit Schinkenbrot und Gürkchen alleine nicht getan wäre. Ein altes Rhöner Wirtshaus in der Stadt zu kopieren, wäre nicht echt gewesen. So entwickelten sie eine originelle Menüauswahl, in der Bewährtes neu und ja: ziemlich cool uminterpretiert wird. Etwa in Form eines Hochrhöner Schwartenmagen-Burgers in BBQ Sauce, garniert mit Krautsalat, Röstzwiebeln und Senfcreme. Da muss man erst mal drauf kommen, den BBQ-Trend mit der Fuldaer Wurstküche zu fusionieren. Oder es werden Rote-Bete- und Pastinakencremes zum Kümmelbrot serviert.

Anfangs wollten sie eine Bar mit Kneipencharakter schaffen, einen Ort, an den sie selber gerne hingehen würden und wo sie auch eine Kleinigkeit essen könnten. Sie setzten auf eine gut sortierte Rum-, Gin- und Wodkaauswahl, merkten aber bald, dass den Gästen die originelle Speisekarte viel wichtiger war – und dass sie zum Rhönwiesen-Veggie-Burger oder zur Heimatstulle Dipperz lieber ein „cooles Bier und 'nen leckeren Schnaps“ zu sich nahmen. Als die Leute anfingen, Tische zum Essen zu reservieren, mussten sie den Küchenbereich vergrößern. Die Erkenntnis: „Man kann so viel überlegen, wie man will, der Gast dreht einem das Konzept am Ende dorthin, wo er es haben will.“

 

Gibt`s nur in Fulda: der Schwartenmagen-Burger

 

Gründe für den Erfolg gibt es mehrere. Klar, Regionalität liegt im Trend. Die Zeiten, in denen gastronomisch betrachtet den Deutschen alles Deutsche verdächtig schien und die Wirte auf der Fernwehwelle surften, sind vorbei. Local ist in. Doch während viele davon reden und dann doch beim Discounter einkaufen, mühen sich die Macher der Heimat um Authentizität, und dies nicht nur in Sachen Wurst oder Gemüse. Da kommt das Tonic aus Lütter und der Gin aus Schlitz. Oder sie offerieren einen handgemachte Zitronen-Ingwer-Likör aus Hilders.

Zum Konzept gehört auch, dass in der Heimat heimische Künstler Vorfahrt haben. Dabei schrecken sie auch vor Blasmusik nicht zurück. So luden sie die Musiktruppe aus Künzell zum Frühschoppen, weil die ähnlich ticken wie sie selbst. In traditioneller Besetzung spielten sie ein unberechenbares Programm, Robbie Williams inklusive. „Da haben wir den Frühschoppen mal völlig neu interpretiert“, schwärmt Felix. Als der Buttermarkt überquoll, gab's Gänsehautfeeling. „Vielleicht sagt der Josef vom Dorf: Was ist denn das für ein Blödsinn? Aber wir stehen davor mit 'nem Bierchen und sagen: ‚Wie geil ist das denn?‘“ Dass sie dabei am Ende draufgelegt haben, sei zwar schade, aber „manchmal haben wir einfach Bock etwas zu machen, weil es zu unserer Idee passt.“

So ist etwas entstanden am Buttermarkt: ein neues Stück Heimat mitten in der alten Heimat – jenseits aller Folklore. Ob es am Ende auch eine echte Heimat ist, entscheidet sich daran, ob sich die Menschen angenommen fühlen. „Hier wird jeder geduzt“, so Paul, „es gibt keine Klamottenordnung, auch nicht für unsere Mitarbeiter. Die sollen kommen, wie sie sind. Wir wollen Originale, keinen Einheitsbrei. Und genauso wollen wir das bei den Gästen.“

Erstaunlich eigentlich, dass wir über dergleichen berichten. Sollte doch normal sein. Aber vielleicht bleiben die Leute gar nicht nur wegen ihres Smartphones immer öfter zuhause, sondern auch, weil so mancher Wirt vergessen hat, warum es in seinem Geschäft eigentlich geht. Um Heimat vielleicht?

Zurück