Was haben wir gelacht!

Jeden von uns gibt's auf dieser Erde nur einmal. So gesehen ist jeder einmalig.
Aber nicht jeder von uns ist auch schon ein Original. Dazu gehört, dass einer unverwechselbar ist ‒
und ein bisschen speziell. Umgekehrt spiegelt sich im Original auch etwas Typisches,
zum Beispiel die Mentalität einer Region: eine bestimmte Art zu beobachten, zu formulieren,
zu reagieren. Sie merken schon, es geht um's Fuldaer Original. Davon gibt's im Medienzeitalter zwar eher weniger, aber gerade unter den Älteren findet man noch solch kantige Individualitäten. Und wenn's dann noch um den Humor geht, fällt schnell der Name Günther Elm – eines der bekanntesten Urgesteine der Fuldaer Fastnacht.

Herr Elm, Sie sind ja so ein richtiger Fuldaer Jong.

Ja, Doppel-Fuldaer sogar! Mein Vater war Horaser, meine Mutter Neuenbergerin. Aber 1939 kamen beide Orte zu Fulda. Kurz danach wurde ich geboren. Ich bin also der einzige echte Fuldaer in der Familie.

Und mit dem Fuldaer Platt groß geworden.

Mein Opa, auch ein Neuenberger, war ein riesengroßer Kerl. Sonntagmittags nach 17 Uhr hat er gesagt: „Der Schorsch hat gelütt“, also „Der Henning hat geläutet“. Das hieß: Es geht in die Wirtschaft! Da haben sich die alten Herren getroffen – die haben alle Platt geschwätzt. Ich durfte ab und an mit. Da habe ich viel gelernt, was Fulda anbelangt. Wunderbar! Schon als kleiner Junge, so mit zehn, hab ich dort die Gedichte vom Wilhelm Hauck vorgetragen. Der war manchmal sogar selbst dabei. In das Sälchen passten um die hundert Leute. Bei einer Veranstaltung hat er zu mir gesagt: „Jong, mach so widderscht.“ Das vergesse ich nicht. Bald danach fing ich an zu schreiben. Ich hab mich halt gefreut, wenn sich die Leute gefreut haben, und es ist ja nicht verkehrt, sie zum Lachen zu bringen.

Nach dem Besuch der Bardoschule gingen Sie in die Lehre zu Opel Fahr und nach über einem Jahrzehnt bei Opel zum Finanzamt. Günther Elm am Finanzamt ‒  das ist schwer vorstellbar.

Ich war ja kein Schreiberling. Mein Ressort war es, die Häuser – die Anmietungen – in Schuss zu halten. 37 Jahre hab ich das gemacht. Insgesamt habe ich 49 Jahre gearbeitet.

Wie haben sie Ihre Humorbegabung entdeckt?

Das merkt man, wenn man in einer Gemeinschaft Dinge erzählt, und die anderen lachen sich schepp. Die Leute haben immer gesagt: „Mensch, verzähl das doch noch e'ma!“ Ich habe auch in der Schule Theater gespielt. Das war eine schöne Sache, auch da war ich auf der humorvollen Seite daheim. Bei ernsten Stücken gab es aber das Problem, dass, wenn ich auf die Bühne ging, sofort gelacht wurde. Ich hatte eine tolle Lehrerin, das Fräulein Kollmann. Sie hat mir eigentlich den Spaß geschenkt, indem sie sagte: „Du kannst schreiben, schreib!“ Ich war nicht so gut in der Rechtschreibung, das hat sie dann mittags mit mir geübt. Was ich schrieb, kam gut an. Ich habe gemerkt: Die heitere Note, also wenn ein paar Witze eingebaut sind, kommt besser an als alles andere. Dann ist mir auch gar nichts anderes mehr eingefallen.

Lag das schon in der Familie?

Mein Vater war auch Conférencier. Er hat sogar eine Zeitlang in der Sendung Singende, klingende Heimat vom Hessischen Rundfunk seine Gedichtchen vorgetragen. Ich hab es eigentlich nachgemacht. Aber ausschlaggebend dafür, dass ich in die Mundart eingestiegen bin, war Pit Krewer, der als „Euer Heiche“ bekannt wurde. Das ist einer der ganz alten Fuldaer. „Heiche“ heißt Heinrich auf Fuldisch. Er kannte Gott und die Welt. Nach dem Krieg hat er in den Betrieben von Fahr die Fahrzeuge rangiert, obwohl er gar keinen Führerschein hatte. Zu interessant! Er hat wunderschöne Sachen über Fulda geschrieben. Da habe ich Lust gekriegt, das auch zu machen. Nicht zu lange Sachen. Die Witze, die ich gern erzähle, sind kurz und prägnant. Das darf nicht so lange dauern, bist man zur Pointe kommt.

Wie begann es mit der Fastnacht?  

Schon 1955 fing ich bei den Türken an, im Wilhelm-Schüler-Heim. Da waren so Koryphäen wie der Schwan und der Feuerwehr-Kramer. Das waren gestandene Männer, und da kamen wir jungen dazu. Das war einfach toll. Wenn man sich überlegt, was die für Feste gefeiert haben! Kein Geld, aber Feste wie die Weltmeister! Besser ging's nicht. Da konnte ich meine Sachen an den Mann bringen. Dann hat mich die FKG abgeworben. Das war so: Ich habe für Dr. Dregger Wahlkampf gemacht. Mit ihm zogen wir von einem Stadtteil ins andere und haben all das Negative, was in einem Stadtteil Thema war, auf die Bühne gebracht. Und der Dregger hat dann darauf geantwortet. Es waren acht große Veranstaltungen, immer schön. Die letzte war im alten Kolpinghaus. Da waren auch Karnevalisten da und sagten: „Leute wie dich könne mer gebruch!“

Unvergesslich sind Ihre Dialoge mit Mechthild Remmert. Brauchen Sie lange, um so etwas zu schreiben?

Nein, ich brauch Druck. Mechthild war natürlich ein Glücksfall. Als das Schlosstheater eingeweiht wurde ‒ es gab damals in der Zeitung Kritik, dass die Karnevalisten den neuen Kulturtempel verunstalten, entweihen würden ‒ sagte Ludwig Angeli, der damalige Präsident der FKG, zu mir: „Wir machen eine große Veranstaltung, es wäre toll, wenn Mechthild und du ein Zwiegespräch machen würdet.“ Erst traute ich es mir nicht zu. Zu der Zeit hatte ja jeder für sich gearbeitet, die Mechthild als Frau Neureich und ich als Rentner. Aber es kam dann so gut an, dass wir es 28 Jahre lang machten. Ich habe die Dialoge geschrieben. Um die Weihnachtszeit rief Mechthild an: „Wann bist du fertig?“ Da hab ich sie hingehalten: „Du kriegst das noch.“ Sie musste es ja noch lernen. Am Ende war es wirklich so: Ich habe mit der Mechthild kein einziges Mal geprobt. Nie. Wir haben uns nur auf der Bühne getroffen. 

Weil es keine Zeit gab?

Keine Zeit! Ich hab den Vizepräsidenten gemacht, bei den Fastnachtssängern gesungen, eigene Büttenreden verfasst und das Zwiegespräch – keine Zeit zum Proben. Die Überraschungen kamen auf der Bühne. Gott sei Dank war Mechthild nie beleidigt. Ich hab sie manchmal vorgeführt, aber ich wusste ja, wie sie reagiert. Heute lacht keiner mehr so, wie sie bei uns gelacht haben. Es war sorgenfrei.

Gibt es den typischen Fuldaer Humor?

Tja, ich weiß es gar nicht. Der Fuldaer ist ein trockener. Eigentlich staubtrocken. Da gibt's kein großes Brimborium, der bringt's auf den Punkt. Wir haben hier ja die Kirche, gläubig sind alle, aber da werden die meisten Witze drüber gemacht: Der Pfarrer geht morgens durchs Dorf und sieht, wie der Karl im Garten schippt. Da sagt der Pfarrer: „Mensch Koarl, was machste im Goarte, wir haben Christi Himmelfahrt.“ Da sagt er: „Ich foahrn net mit.“ Das ist Peng, das sitzt. Gut, manchmal dauert es ein bisschen [lacht], aber das ist so typisch.


Hängt es mit der Sprache zusammen?

Ja! Früher gab's in Neuenberg keine Zäune, du konntest von einem Grundstück aufs andere, von einem Haus ins andere. Ich kannte jedes Haus vom Keller bis zum Dach. Alle haben Platt geschwätzt. Dann kam der Sprachbruch, den ich nicht bedaure, als die Schlesier und Sudetendeutschen kamen. 14 Millionen! Die haben nicht nur unsere Sprache, die haben auch unsere Küche verändert. Gute Sachen haben die gekocht und gebacken! Wir bekamen bei uns zuhause einen Schuster einquartiert, der war technisch weiter als unsere. Und sie haben auch gesungen.

Was macht guten Humor aus?

Es gibt ja das Sprichwort: „Das Wichtigste im Leben ist der Humor. Alles andere muss man mit Humor ertragen.“ Ich würde sagen: Wer ein bisschen Spaß versteht im Leben und sich nicht über jeden Scheißdreck ärgert, kommt besser zurecht. Mein Vater hat immer gesagt: „Guck de Liet aufs Muil!“ Das ist so. Es ist wichtig zuzuhören, da lernt man. Mit den Ohren und mit den Augen. Es gibt schon interessante Sachen. Meine Frau muss sich ja alles anhören, schon viele Jahre lang.

Können sie über sich selbst lachen?

Oh ja, über Dummheiten, die man selbst macht. Dann nimmt man auch alles andere nicht so schwer. Und man kann anderen, wenn sie Probleme haben, helfen und ihnen auch mal sagen: „Leute, seht die Sache doch mal so oder so an.“ Bei manchen fehlt der Optimismus, das ist schade.

Wo hört für Günther Elm der Humor auf?

Heute Morgen bin ich mit dem Hund spazieren gegangen. Am Neuenberg ist gerade der Steg abgesperrt, damit keiner unten durchfällt. Diese teuren Absperrungen wurden auseinandergerissen und in die Fulda geschmissen. Da werd ich grad verrückt. Manche benehmen sich rücksichtslos, keine Beziehung zu dem, was Stadteigentum ist und uns allen gehört. Da hört bei mir der Humor auf.

Sie sind Ehrenmitglied der FKG. Gehört der Fastnacht nach wie vor ihr Herz?

Jein! Ich bin 2008 ausgeschieden. Es kamen neue Leute, die vieles anders gesehen haben. Natürlich interessiere ich mich weiterhin für die Foaset in Foll. Ich freue mich über alle Aktivitäten, die alle karnevalistischen Vereine in Fulda auf die Beine stellen, wenn's gekonnt, mit Einsatz und humorvoll geschieht.

Humorlose Leute in der Fastnacht, gibt's das?

Natürlich! Herbert Bonnewitz, der vor kurzem starb und den ich sehr verehrt habe, hat das mal auf den Punkt gebracht: „Die nehmen die Fastnacht nicht ernst, die nehmen sie todernst.“ Das ist so. Das sind Leute, die meinen, es geht nur mit Geld. Mir hat mal einer gesagt: „Wenn wir euch keine Bühne bauen, könnt ihr net druffgegeh!“ Da sach ich: „Was nützt euch die Bühne, wenn kenner druffgeht?“
Es gibt Leute, die machen da mit und brüsten sich, zu dem Elitehaufen dazuzugehören. Sie machen aber selber gar nichts. Und wenn ich dann den kleinen Gardisten sehe, der morgens die frische Hose anzieht und abends spät heimkommt, der hat was gemacht: der hat getrommelt oder gepiffe, den ganzen Tag. Und wenn die dann von denen da oben vergessen werden, entstehen Diskrepanzen.
Trotzdem muss man sagen: Die schönen Seiten überwiegen bei der Fastnacht. Was haben wir gelacht! Oft sogar am meisten danach, hinter der Bühne. Es waren auch tolle Leute dabei. Wermutstropfen gibt's halt überall.


Betrifft das die ganze Fuldaer Fastnacht?

Ich hab immer gesagt: Die FKG ist nicht die Fuldaer Fastnacht! Das sind alle dreizehn Vereine. Gerade die Neugründungen, was haben die sich gemausert! Wenn ich sehe, was der FFCK am Rosenmontag auf die Beine stellt, geht mir das Herz auf! Für mich ist der Montagmorgen, der Empfang im Stadtsaal, das Highlight der Fuldaer Fastnacht. Das ist so ein schönes Miteinander, das ist toll. Da merkt man von diesen anderen Dingen nichts ‒ aber man weiß es. [lacht]
Die alten Karnevalisten, das waren oft Schneider- oder Bäckermeister, gestandene Leute. Die haben weniger Ansprüche gestellt, aber mehr bewegt. Heute geht's gleich darum, was es einbringt. Ohne Gage geht keiner mehr auf die Bühne. Alle meine früheren Kollegen karnevalistischer Art haben das umsonst gemacht: Heinz Gellings, Mechthild Remmert und so weiter. Jeder hat eher was dazugeschossen. Wir haben unsere Schoppen selber gezahlt, wie sich das gehört. Und es waren alle Couleur vertreten, vom Professor über den Handwerksmeister bis zum Schneiderlehrling. Alle haben für den Verein geradegestanden. Es ist halt heute eine andere Zeit. Die Vereine sind geschrumpft und müssen alles einkaufen, sogar die Tanzgarden. Es ist nix mehr da, nur Elferräte gibt's haufenweise. Die sind umsonst da - im wahrsten Sinne des Wortes. [lacht] Das sind so Spitzen, die haben wir immer schon abgeschossen, aber es wurde nie übelgenommen.


Im vollen Ornat: Günter Elm als Prinz von Foll XLII


Wie denken Sie über das heutige Kabarett?

Da sind wir beim Thema! Die großen Kabarettisten waren stets ein großer Gewinn für uns alle. Jeder hat seinen Nektar daraus gezogen. Die Leute hatten Ideen, waren bissig, aber auch versöhnlich. Heute sind sie nur noch Gift und Galle und manchmal so primitiv in ihren Äußerungen, dass es nicht zu ertragen ist. Die meisten wollen nur provozieren.

Mit bösem Humor? 

Es ist überhaupt kein Humor.

Was liest Günther Elm?  Nur Humoristen?

Nein, er liest vor allem Biographien. Zum Beispiel lese ich die ganze Zeit schon, weil's so ein Schinken ist, den Helmut Kohl. Von ihm wusste ich gar nicht viel. Als Alfred Dregger beerdigt wurde, kam Kohl in den Dom gelaufen. Das vergesse ich nie, wie er an mir vorbei ist. Der Merz hinterher, genauso groß, aber halt dürr. Der Kohl war nicht mein Freund im besonderen Maße, aber Ausstrahlung hatte er! Jetzt lese ich über seine Vorzüge und Schwächen, zum Beispiel dass er mit 18, 19 einer der besten Fußballer von Ludwigshafen war. Das kann man sich bei seiner Körperfülle gar nicht mehr vorstellen, [lacht] Und seine Mutter hat über Kohls frisch angetraute Frau gesagt: „Was ein Glück, dass er so ein evangelisch Mädchen gekriegt hat, die singen viel schöner als die Katholiken.“ Das sind so banale Dinge, aber mich freut so was.


Wie lebt es sich an den Fuldaauen?

Unser Haus haben wir in 1995 gebaut. Es ist wunderbar hier, mitten in der Stadt und doch nicht drin. Ich habe mal hier im Garten hinter der Mauer gesessen. Da kamen Leute auf dem Fahrrad vorbei, haben gebremst und der eine hat zum anderen gesagt: „Hier, das Haus musst de dir ma ohguck. Was meinste, wer da wohnt? Da wohnt der Elm. Da kannste ma sehen, was de mit der Fastnacht verdiene kannst.“



Fulda zu verlassen, kam Ihnen nie in den Sinn?

Ich sag immer: Ich hab in Bronnzell schon Heimweh. Das ist so. Ich liebe diese Stadt heiß und innig. Mit allen, die da verwachsen und verwurzelt sind, auch wenn welche dabei sind, mit denen du dich mal behängst.
Ich bin froh, dass wir das so schön erleben durften! Uns geht's gut. Wir haben tolle Nachbarn, freuen uns des Lebens, weil wir auch gesund sind. Letztes Jahr war ich mal in der Klinik, aber ich musste 80 Jahre werden, um zu wissen, wie das ist, wenn man krank ist. Da muss ich meinem Herrgott danken! 


Das Gespräch führten Hanno Henkel und Arnulf Müller

 

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