Was heißt eigentlich: "Auf Augenhöhe"?

Ich möchte, dass man mit mir auf Augenhöhe spricht. Wer möchte das nicht? Und ich habe den Anspruch, dass ich mit Menschen aus Augenhöhe spreche. Besonders wenn es darum geht, Politik zu machen und durch Politik Einfluss auf das Leben der Menschen zu nehmen.

Aber was heißt das ganz konkret? Muss Augenhöhe erst hergestellt werden? Das würde heißen, dass man zunächst von unterschiedlicher Augenhöhe ausgeht und sich dann entsprechend runterbeugt. Ich glaube nicht, dass es um so eine künstliche Augenhöhe geht. Ganz im Gegenteil gehe ich davon aus, dass die gleiche Augenhöhe die Normalität ist oder zumindest sein sollte. In erster Linie sprechen wir als Menschen miteinander, wir sind alle mit der gleichen Würde beschenkt. Weder Alter noch Geschlecht, Herkunft oder Beruf können daran etwas ändern. Das „Gespräch auf Augenhöhe“ ist der Normalfall gegenseitiger Wertschätzung.

Erst danach kommen etwa Ausbildung oder Position. Dass jemand in einer Fachfrage mehr weiß oder eine Direktorin eine Entscheidung durchsetzen muss, ist kein Widerspruch zur Augenhöhe. Menschen sind verschieden, sie haben unterschiedliche Fähigkeiten,Kenntnisse, auch unterschiedliche Behinderungen und Einschränkungen. Sie sind dadurch nicht mehr oder weniger wert.

Die Vielfalt gehört zu unserem Menschsein, echte Gleichheit liegt in der Würde dieser Vielfalt. Wenn wir in Politik oder Gesellschaft die Forderung hören, man müsse endlich auf Augenhöhe sprechen, dann heißt das, dass wir zurückfinden müssen zu dieser Normalität der Wertschätzung. Hochmut, Selbstüberschätzung oder einfach nur Nachlässigkeit und Ungeduld führen oft dazu, dass wir unser Gegenüber nicht so wertschätzen, wie er oder sie es verdient. Wir denken, dass unser Wissen, unsere Erfahrung, unsere Perspektive das einzig Richtige und Wahre ist, und versuchen, den anderen, die andere davon zu überzeugen. Dabei vergessen wir oft, dass unser Gegenüber eine ebenso berechtigte Perspektive, individuelles Wissen und eigene Erfahrungen hat, welche uns fehlen. Das gilt für die Politikerin im Gespräch mit Wählerinnen oder dem Koalitionspartner genauso wie für den Direktor eines großen Unternehmens oder den Vater, der mit seiner Tochter schimpft. Auf Augenhöhe miteinander zu reden heißt für mich dann: sich Zeit nehmen, die Perspektive der anderen zu hören und zu verstehen. Wirkliches Verständnis füreinander und damit wirklich nachhaltige Veränderung zum Guten werden wir nur erreichen, wenn wir uns diese Zeit nehmen und auf Augenhöhe miteinander bleiben.

Ein Beitrag von: Katrin Göring-Eckardt

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