Was zählt, ist das Projekt!
Von Arnulf Müller und Tanja Czarnomski
Reden wir über Männer – auch auf die Gefahr hin, die halbe Leserschaft zu verlieren. Männer müssen sägen, bohren, schrauben. An der Welt, wie sie ist, gibt es immer etwas zu verbessern. Auch fürs Selbstverständnis gilt: Ein Leben, ohne zu bauen, zu basteln oder zu renovieren, ist möglich, aber sinnlos. Kurz: Männer brauchen ein Projekt. Statt auf dem Sofa zu sitzen, verschwinden sie in Kellern, Garagen, Gartenhütten – oder im Bauwagen.
Ein solcher steht seit 2015 am Rande von Hauswurz. Blau gestrichen, gut in Schuss, mit gemütlicher Holzbank davor. Wilder Wein rankt bis zum Dach, ein Solarpanel speist Radio und Licht, drinnen ein Holzofen für kalte Tage. Daneben zeugen Hoch- und Tiefbeete von reger Gartentätigkeit. Maximilian Koch, 22 Jahre alt und Redakteur beim SeitenWechsel-Magazin, hat sich als Jugendlicher diesen Traum erfüllt – mithilfe von Vater und Großvater. Männersache. Und weil Stillstand Rückschritt ist, wurde dieses Jahr eine kleine Werkstatt angebaut.
Wenn Maximilian etwas will, ist sein Motto: Es geht nichts übers Nichtnachlassen! Zumindest eine Zeit lang. Trotz Sprach- und Bewegungsbehinderung kommuniziert er mit Baumarkt oder Sägewerk, übermittelt Stücklisten, erfragt Preise. Die Rechnungen gehen an den Vater. Das ist praktisch, aber es geht auch nicht anders, weil Maximilian wegen seines Betreuungsstatus kaum Geld besitzt. Dennoch erinnert er seine Eltern ans Zahlungsziel, um Skonto abziehen zu können. Dass „Maxe“ den Anbau trotz seiner Einschränkung hinbekommen hat, lag auch daran, dass man ihm schlecht etwas ausschlagen kann – nicht aus Mitleid, sondern aus Sympathie. Er geht angstfrei auf Leute zu und spannt sie, ohne zu zögern, in seine Projekte ein. Darin ist er geschickt. Da gibt es den Schulkollegen des Vaters, einen gelernten Dachdecker. Klar, dass der ihm die Rinne montiert. Da ist der Opa, gelernter Maurer und handwerkliches Vorbild ohnehin, der ihm die Fundamente setzt. Da ist der Bauunternehmer aus Hosenfeld, der ihm seinerzeit den Bauwagen besorgt und stets ein offenes Ohr für ihn hat. Und da ist sein Petter Stefan Koch, der eine Schreinerei in Hauswurz führt. Klar, dass der ihm die beiden fast neuen Fenster organisiert hat. Begeisterung steckt an und irgendwie lassen sich Männer auch gern in fremde Projekte einspannen. Wer einem anderen einen Hammer reicht, reicht ihm eben mehr als nur einen Hammer. Männer finden über Projekte zueinander.
Etwas davon schwingt auch in der Vater-Sohn-Beziehung mit. Max kann anstrengend sein, er braucht Aufmerksamkeit und ist voller Tatendrang. Da ist so ein Projekt wie die Werkstatt ein Segen, weil es dem Miteinander eine Richtung gibt. Immer gibt es was zu tun, immer sind Hürden zu überwinden. Im Corona-Jahr war es das knappe Holz, da hieß es warten lernen. Umso schöner, endlich mit dem Hänger zum Sägewerk zu fahren. Schon die Planungsphase war intensiv: Wie groß soll die Werkstatt werden, braucht man eine Genehmigung? Wo ist der Eingang? Was wird benötigt, was darf es kosten? So setzte sich das große Projekt aus vielen kleineren zusammen, mit Hauruck war es nicht getan. Max lernte, dass das Nichtnachlassendürfen nicht nur für die anderen, sondern auch für ihn selbst gilt.
Wer den jungen Mann nun in seiner kleinen Welt besucht, staunt, wie schön das Ergebnis geworden ist und was er in seiner Werkstatt anstellt. Maschinenarbeit ist zwar riskant, dafür klappt der Umgang mit Handsäge und Akkuschrauber ziemlich gut. Vor allem findet er hier das, was alle Männer an solchen Orten suchen: den eigenen Rhythmus – und die Befriedigung, etwas selbst gemacht zu haben. Wenn drumherum alles stimmt, werkelt er zwei, drei Stunden vor sich hin. Das gab es früher nicht. Irgendwann ruft er lauthals zum Elternhaus rüber. Dann weiß der Vater, dass er mit der Handkreissäge anrücken muss.
Den Sommer über postete Max regelmäßig Bilder vom Baufortschritt. Nun, da die kleine Werkstatt fertig ist, sieht man selbst gebastelte Nistkästen und Eichhörnchen-Futterstellen im Status. Männer brauchen Projekte. Große, kleine, egal. „Es gibt immer was zu tun. Jippie jaja, jippie jippie yeah!“