Wir zeigen ’s Ihnen
Erika Mechler und Andreas Sauer erklären Ihnen heute: Musikblasen im Klartext…
Wie geht es eigentlich zu bei der Blasmusik – vor und hinter den Kulissen? Das wollten Erika Mechler und Andreas Sauergenauer wissen. Also warfen Sie sich in Schale, fuhren am 2. Mai nach Tann zum Konzert der Original Kapelle Egerland – und staunten nicht schlecht. Hier ist ihr Bericht:
Als wir an der Rhönhalle in Tann ankamen, habe ich schon Gänsehaut bekommen. Mir war´s nicht so wohl, denn es ging alles ziemlich zügig. Der Kalle Belz, der Klaus-Dieter Eckstein und auch der Frank Unger waren schon da.
Ich fand es gut, dass der Herr Unger uns vor den anderen Leuten begrüßt hat. Er hat uns nicht vergessen.
Auch der Klaus-Dieter Eckstein, der Ansager, hat uns willkommen geheißen. Der Edi Sagert, der Dirigent, war völlig durch den Wind, weil er sich noch vorbereiten musste auf das Konzert. Ich hab gar nicht dran gedacht, was an Arbeit bei ihm dahintersteckt. Der hat nur mal kurz „Hallo“ gesagt –das war ja in Ordnung. Dafür hat uns seine Frau Karin, das ist die Sängerin, wirklich herzhaft begrüßt. Dass die anderen Musiker am Anfang für uns keine Zeit hatten – da hab ich mich ein bisschen ausgegrenzt gefühlt.
Aber ich fand das gut, dass wir hinter der Bühne schon mal lauschen konnten, wie die sich einspielen.
Ja, aber wir waren erst mal völlig im Weg, wir standen komplett auf den Füßen von denen.
Aber was willste machen?
Was ich nicht verstanden habe, war das mit dem Soundcheck. Leute, das war für mich nix. Die haben ein komisches Platt gesprochen, das habe ich nicht verstanden. Auch nicht, wie das mit den Zahlen funktioniert. Er hat gesagt: Eins, zwei, drei und Marsch! Dann ging´s los.
Der Edi Sagert, der Chef, der war auch mal unzufrieden und hat gerufen: „Stopp!“ Das war dann nicht so ordentlich! Die Töne müssen sauber rauskommen.
Was mir persönlich aufgefallen ist: Der eine Musiker hat immer Widerspruche eingelegt: „Das stimmt doch“, hat er gesagt, „das war doch richtig!“ Der wollte was raushaben.
Es gibt das Königsregister und das Holzregister. Vom Königsregister hat er später beim Konzert die Namen aufgerufen. Die saßen ganz vorne, also wenn du auf die Bühne geguckt hast, hinter dem Schild mit der Aufschrift „Egerland“. Die einzelnen Register, das sind so Blocks. In der Kapelle gibt es vier Blocks, glaube ich.
Bei einem Register waren die Querflöte dabei und die Klarinette.
Jetzt erst noch was zur Geschichte der Kapelle: Nach dem Krieg mussten die Bürger aus dem Egerland flüchten, also das Volk. In 1945. Das Egerland lag an der Grenze zwischen Bayern und Tschechien. Der Teil wurde Deutschland weggenommen, und die Leute wurden im Rest von Deutschland verteilt. Deswegen kommen die Musiker heute aus unterschiedlichen Gegenden, z.B. wie Oberpfalz, Wetterau, Hessen, Spessart, Bayern, Sauerland. Als wir nach der Probe von der Konzerthalle in die Turnhalle rübergegangen sind, haben wir uns ein bisschen ausgetauscht mit den Musikern. Das fand ich interessant: Jeder hat so seinen Stil, wo er herkommt: Der eine spricht oberpfälzisch, der andere, das hab ich rausgehört, kam aus Sachsen-Anhalt. Dann haben wir mit ihnen gegessen. Es gab …
... Klopse!
Also Frikadellen mit Kartoffelsalat und Brot. Und ein paar Bierchen gab´s natürlich auch! Für mich war das ungewohnt, mit denen an einem Tisch zu sitzen. Das war ein völlig anderes Gefühl als zu Hause. Wenn wir Abendbrot essen, nimmt sich keiner Zeit so richtig. Und da war´s wirklich ausgeglichen. Wir haben uns ausgetauscht und schön gegessen. Danach haben wir geguckt, wie das so ist mit dem Ankleiden der Böhmer Tracht. Da hab ich auch ein bisschen mitgeholfen. Das war für mich ein Gefühl, einem in die Kleider zu helfen! Wenn ich das bei einem älteren Menschen mache, ist es was ganz anderes, als bei so fitten Kollegen, sag ich mal, die sich noch selber anziehen können.
Die Böhmer Tracht, das sind braune Jacken und das weiße Hemd. Dann hatten sie so ein Halstuch umgelegt, hatten die Kragen ordentlich gelegt, damit das schön aussieht. Und dann noch die Hosenträger mit dem großen Knopf drauf.
Schwarze Schuhe hatten sie an …
… und diese Strümpfe mit den Noppen.
Genau, diese riesigen Strümpfe! Und natürlich die Pumphosen.
Manche sagen dazu auch „Knickerbocker-Hose“.
Bei der Frau vom Edi Sagert durften wir nicht zuschauen, wie sie sich umgezogen hat. Schade eigentlich.
Die hatte ein Dirndl und unten drunter eine Dirndlbluse an. So, und nachdem alle umgezogen waren, hatten alle plötzlich wieder ihre Instrumente in der Hand. Die haben sie dann erst mal gestimmt.
Ja, wie soll man das mit dem Stimmen erklären? Die haben sich erst mal orientiert in den Tönen. Die haben sich die Noten einmal durch den Kopf gehen lassen und haben das dann mit den Instrumenten verglichen – also so eine Art Ausgleich gemacht.
Der eine Musiker hatte ein Gerät wie ein Handy. Wenn der Zeiger oben war, war das richtig gestimmt. War er auf der Seite, dann war das nicht so gestimmt, dann mussten sie es noch mal machen, so lange, bis der Ton gepasst hat.
Ich erzähl noch mal vom Mischpult. Der Tonmeister hat die Lautstärken eingestellt, damit alles harmoniert: die Posaunen, die Flügelhörner, die Baritons – alles separat. Das hat er gut gemacht. Was die Technik heute so alles kann: Auf einmal ging das Licht an, der Computer kam herausgefahren, also die Tastatur, womit er Ton und Licht eingetippt hat. Und auf einmal – plupp – war es wieder komplett dunkel! Ich möchte das nicht machen auf Dauer. Ich habe gern mit Technik zu tun, schrauben, bohren, sägen, aber in so einer Art und Weise: nee danke.
Als wir von der Turnhalle wieder in die Rhönhalle zurückkamen, hab ich mich umgeguckt, wie viele Menschen in der Zwischenzeit gekommen waren – gigantisch! Dann ging das Konzert endlich los. Also gab es eine Knödelpolka. Die Egerländer spielen ja hauptsächlich Polkas und Walzer. Und manchmal hat auch die Frau vom Edi Sagert, dem Dirigenten, gesungen. Wir haben selber auch gesungen auf der Hinfahrt im Bus. Das Kreuzberglied: „Komm mit mein Schatz, nimm an meiner Seite Platz ...“. Am liebsten singe ich die Strophe: „Schatz, merke dir, hier gibt´s prima Klosterbier, wer sich da nicht schadlos hält, dem verschönt´s die ganze Welt.“
Als die einmarschiert sind und der Edi den Takt gegeben hat, haben alle richtig gespielt. Da war kein Fehler mehr drin, als das Publikum im Saal saß.
Die Stimmung war fast wie ein Open-Air-Konzert. Das hat sich richtig aufgebraust! Was der Edi auf der Bühne verkörpert hat, Wahnsinn. Der ist aufgestanden und hat dauernd Anweisungen gemacht: „Alle zusammen noch mal!“ Da hat er sich umgedreht zum Publikum und so richtig auf die Pauke gehauen.
Er hat geklatscht, und alle Leute haben mitgeklatscht, da war wieder richtig Schwung da!
Das war echt mit Schwung, es ging richtig ab. Der Edi war der Beste. Ein großes Lob, was der sich dahinterklemmt! Was mich ein bisschen verwundert hat: Die kommen ja aus ganz Deutschland. Dann üben die nur einmal, und das klappt. Voll gute Profis. Und unser Frank Unger vom Antoniusheim gehört dazu.
Das Konzert hat bis kurz vor 11 Uhr gedauert. Es gab etliche Zugaben. Das wurde gefordert! Und der Edi hat dann gesagt: „Nach dem letzten Lied geht ihr alle ganz leise nach Hause!“ Von wegen: Es war alles ganz anders!
Alle sind geblieben und haben „Zugabe“ gerufen!
Beim großen Finale hat er mit 6–7 Liedern noch mal richtig auf die Zwölf gehauen, der Edi!
Das Publikum war danach fröhlich, ausgeglichener, muss man sagen.
Wir haben den Edi mal gefragt: „Was ist, wenn einer immer schief spielt?“. Da hat er gesagt: „Das gibt’s bei mir gar nicht.“ Der wird also brutal aus der Kapelle rausgeschmissen. „Aber sofort“, hat er gesagt.
Ohne einen Chef läuft da nichts. Da muss man sich unterordnen. Man kann nicht spielen, was da nicht draufsteht! Das ist genauso in unserem Chor vom Antoniusheim, nur mal zum Vergleich: Da kommt jemand rein und singt irgendwas quer, dann kriegt er vielleicht eine Verwarnung, und wenn´s nochmal passiert, fliegt der auch.
Die Egerländer reisen nicht nur in der hessischen Rhön herum, die sind auch in Großstädten wie Berlin, auch einmal in Paris, auch Asien, glaube ich. Also: Deutschland, Europa und weltweit.
Ich habe mir zum Schluss noch eine CD gekauft. Die hat der Edi mit seiner Frau signiert. Lieber Edi, liebe Karin, das war große Klasse!
Ich schließe mich an und freue mich auch, dass das Publikum so guten Applaus gegeben hat. Dafür bedanke ich mich herzlich. Das ist gut eingedrungen.
Ich habe viel erfahren über euch, macht weiter so gute Stimmung auf den jeweiligen Konzerten!
Eure Erika und euer Andreas