WIR ZEIGEN´S IHNEN
Erika Mechler und Andreas Sauer erklären Ihnen heute: ´S GROSSE KRABBELN
Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Heft haben wir einen sehr seltenen Gast vor unseren Augen: den Deutschen Edelkrebs. Das Biosphärenreservat Rhön kümmert sich darum, dass die Flusskrebse wieder in heimischen Gewässern leben dürfen. Alles Weitere berichten wir jetzt ausführlich.
Andreas Sauer und Erika Mechler
Wir sind ins Nüsttal gefahren, weil da die Nüst fließt. Genau genommen zwischen Morles und Gotthards. Dort haben wir einen Rhön-Ranger getroffen, den Joachim Walter. Der hat uns aufgeklärt in Sachen Krebse. Der Edelkrebs ist leider eine aussterbende Art. Früher lebten hier ganz viele davon. Aber dann wurden die Gewässer verschmutzt. Außerdem wurde vor über hundert Jahren ein amerikanischer Krebs eingeschleppt, der sogenannte „Kamberkrebs“. Der hat die Krebspest mitgebracht.
Da wurden die deutschen Edelkrebse krank. Und sind gestorben.
Aber der amerikanische Krebs ist auch aggressiv. Gegen den konnten sich die deutschen Krebse nicht durchsetzen.
In 2004 hat das Biosphärenreservat angefangen, die heimischen Krebse zu retten. Vor allem der Joachim Walter. Er hat 2000 kleine Krebse in verschiedenen Flüssen ausgesetzt: Hier an der Nüst, aber auch am Dammersbach, am Igelbach bei Dipperz, an der Wanne bei Margretenhaun. Die kamen mit der Post. Er hat nun die Hoffnung, dass die sich wieder vermehren. Ob´s klappt, weiß er noch nicht. Er hofft das ganz stark. Und um das rauszukriegen, tut er Reusen ins Wasser.
Und da waren wir dabei!
Die Reuse ist eine Falle für Krebse. Ihr kenntbestimmt Ratten und Mäuse. Für die gibtes auch Fallen. Die Reusen sind getarntin Erdfarben, damit die Besucher, die davorbeilaufen, das Volk eigentlich, sie nichterkennen. Der Ranger wirft sie ins Wasserund schaut, dass sie an der richtigenStelle untergehen und gut auf demGrund sitzen. Die dürfen nicht wegtreiben.Da guckt er lange drauf. Das Witzigewar für mich, dass er die Reusen mitKatzenfutter befüllt, weil das Fischgeschmackhat.
Die Krebse können das riechen.
Die merken den leichten Fischgeruch und gehen in die Falle rein. Die Reusen sind so gebaut wie eine Kugel, oder mehr wie ein Bombe. Mit zwei Öffnungen, vorn und hinten.
Da gehts rein, aber nicht mehr raus. Wir sind dann am Bach herumgelaufen und haben geguckt, ob was drin war. Mal war was drin, mal war nix drin.
Es gibt eine Schnur. Also wir haben die erste Reuse aus dem Wasser gezogen. Da war gleich etwas drin. Herr Walter hat uns gezeigt, wie man die Krebse anpacken soll.
Die muss man mit zwei Fingern in der Mitte anpacken, also hinter den Scheren. Das ist wichtig, weil die sonst versuchen, uns in die Finger zu knapsen. Das kann sogar bluten!
Ich durfte sie zuerst anfassen. Das war nicht ohne. Ich hab einen riesigen Respekt gehabt vor den Krebsen, ganz ehrlich. Als ich sie gehalten habe, hat sich der Schwanz andauernd hoch und runter bewegt. „Was passiert jetzt?“, habe ich gedacht. „Hoffentlich fällt er mir nicht aus der Hand!“ Mit ihren Scheren haben sie wie bei einem Propellerflugzeug herumgewirbelt.
Aber dann war es schon wie Alltag und ich wurde ruhiger.
Bei mir war das beim ersten Mal so: Ich habe Handschuhe angehabt. Sicherheitshalber. Und beim zweiten Mal hab ich es, verstandesmäßig jetzt, ohne Handschuhe probiert. Das war für mich – ein Gefühl! Ich bin auch ruhig geblieben.
Wir hatten insgesamt zehn Reusen, darin hatten wir fünf Krebse gewonnen.
Wir haben sogar eine Bachforelle gefangen! Die haben wir gleich wieder ins Wasser geworfen. Dann haben wir die Krebse auf eine weiße Plane gelegt. Andreas hat sie festgehalten, und ich hab sie gemessen mit einem Maßband. Der eine war so 13 cm lang, von den Stielaugen bis runter zum Schwanz. Die Scheren wurden nicht gemessen. Dann konnten wir noch sehen, ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist.
Der Herr Walter hat alles ganz genau aufgeschrieben. Es gibt Merkmale bei den Krebsen. Wenn man sie auf den Rücken dreht, hat das Männchen am unteren Ende ganz kleine Beinchen extra. Die Weibchen haben das nicht. Die haben da die Eier hängen. Das haben wir leider nicht gesehen. Die legen sie im Wasser ab, und da schlüpfen kleine Minikrebse raus. Das Besondere daran: Wenn die geschlüpft sind, sind die noch nackt.
Wenn die Krebse wachsen, dann schlüpfen sie immer mal wieder aus sich raus. Die werfen den Panzer ab.
Wenn sie klein sind, besteht große Gefahr, dass ein Feind kommt: der Aal oder die Forelle. Und der Fischreiher. Der frisst sogar die großen Krebse, weil er die Schale aufbrechen kann.
Wenn ein Krebs nicht gefressen wird und das Wasser sauber bleibt, kann der 20 Jahre leben.
Da gibst du mir einen guten Stoßpunkt, Erika! Die Edelkrebse suchen sich nur Gewässer aus, die sauber sind. Die können über Land laufen in ein anderes Gewässer. Die entfliehen quasi den Verschmutzungen. Der Krebs merkt im Wasser: Hier droht was! Durch die Fühler wahrscheinlich. Er kommt mit kleinen Schrittchen aus dem Wasser und denkt: „Aha, jetzt bin ich draußen! Ich kann mir jetzt einen Weg suchen, wo ich besser leben kann.“
Der Joachim Walter war auch schon mal nachts da und hat mit der Taschenlampe geleuchtet. Da hat er die Krebse direkt rumlaufen gesehen, weil beim Krebs dann die Stielaugen hell leuchten. Die laufen ja vor allem nachts aus dem Wasser. Die sind nachts attraktiv.
Nein, Erika, die sind nachtaktiv! Wie die Fledermäuse.
Also ich finde schon, dass die attraktiv sind.
Mit ihren Stielaugen können sie auch sehen, ob hinter ihnen etwas lauert. Die können nach hinten schauen! Die sind so ähnlich wie ein Gabelstabler, denn wenn ich oben auf dem Gabelstabler sitze, muss ich auch eine Rundumsicht haben. So ist das auch mit den Krebsen und ihren Stielaugen.
Stimmt, und die haben ja auch die zwei Gabeln. Also, das ist schon ein Vergleich!
Der eine Krebs war ein bisschen behindert. Der hat wohl beim Kampf eine Schere verloren.
Nicht nur die Menschen, auch die Tiere können behindert werden.
Was mich gewundert hat bei dem Einarmigen: Der hatte ja auch ein Auge verloren. Also für mich war das Routine, als ich das gesehen habe. Es gibt doch einen großen Bereich von Behinderungen, in dem wir uns bewegen. Ich hab´s jetzt so vorgefunden bei den Krebsen: Sie fühlen sich bedroht. Nicht nur wir, auch die Krebse. Durch Verschmutzung, durch die Krebspest. Durch solche Sachen werden sie verdrängt. Deswegen müssen sie sich sagen: „So, ich gehe jetzt hier raus und suche mir ein neues Gewässer!“ Das macht die stark! Bei den Menschen würde ich sagen: „Kopf hoch, mach dir nicht so viele Gedanken! Mach einfach so, wie du bist, und bleib da dran!“
Übrigens kann man den Edelkrebs sehr gut verzehren, in Edelrestaurants, in so Lokalitäten. Aber umso weniger man sie isst, umso mehr leben sie.
Und weil es noch so wenige sind, darf man die im Moment überhaupt nicht essen. Erst wenn das wieder ganz viele sind. Krebse essen ist genauso wie Muscheln.
Würdest Du sie denn essen, Erika?
Uh, ich weiß es nicht.
Ich würde die Krebse eher leben lassen. Die auf meinem Teller zu haben – nein danke! Ich esse gern Fisch, aber nicht so eine aussterbende Rasse. Das überlege ich mir dreimal.
Ich esse lieber ein Hähnchen. Barfuß würde ich jetzt nicht mehr durch einen Bach laufen. Du weißt ja nicht: Ist das ein Stein oder ein Krebs? Wenn der dich mit den Scheren an den Zehen zwickt … das tät ich nicht.
Ich möchte mich bedanken, Herr Walter. Es warsehr schön mit dir. Ich hoffe, dass wir in Verbindungbleiben. Es war ein supergelungener Tag.Uns ist klar geworden, wie wichtig es ist, dassder Edelkrebs in unseren Gewässern da ist. Ich bin sehr stolz drauf, dass du das auch weiterhinmachst!
Ich will mich auch herzlich bedanken, dass er uns das gezeigt hat, ohne dass etwas passiert ist! Das sich keiner den Fuß gebrochen hat, als wir über den Graben mussten. Da muss man Glück haben. Dafür bedanke ich mich, und auch für die gute Erklärung. Ich hoffe, dass du noch viele Krebse zusammenführen kannst – wie in einer Familie. Ist doch schön!
Zum Schluss hab ich mir noch einen Spruchausgedacht: „Die Rhön ist schön, aber mit Edelkrebsen wär sie schöner!“