Wir zeigen's Ihnen
Erika Mechler und Andreas Sauer erklären Ihnen heute:
Erika Mechler und Andreas Sauer erklären Ihnen heute:
Kartoffeldämpfen
im Klartext...
Weil es im SeitenWechsel diesmal um das Thema Heimat geht,
haben wir beschlossen, für Sie die Kerzeller Dämpfkolonne zu
besuchen. Das ist ein eingetragener Verein, der sich mit dem
heimatlichen Kartoffeldämpfen beschäftigt. Und weil ich, Andreas Sauer, da selber Mitglied bin, war ich natürlich gleich begeistert. Ende Mai sind wir also nach Kerzell gefahren – zum Andämpfen.
Erika Mechler : grün / Andreas Sauer: schwarz
Ich war schon sehr beeindruckt von der ganzen Geschichte mit dem Dämpfen. Als ich ankam, haben mir die Frauen erst mal einen alten Kittel verpasst, ein Kopftuch und die Holzschuhe. Das sollte ja alles passen. Die Bäuerinnen sahen früher eben so aus.
Beim Andämpfen wird die große Maschine aus dem Winterschlaf geholt, sozusagen. Das geschieht auf dem Hof vom Winfried Witzel. Das ist der 1. Vorsitzende der Kerzeller Dämpfkolonne. Der Verein wurde von ihm und seiner Frau Moni im Jahr 2015 gegründet. Die hatten schon lange nach so einer alten Maschine gesucht. In der Dornhecke haben sie dann eine ausfindig gemacht. Sie gehörte dem Oskar Heil. Bei ihm stand sie 25 Jahre unbenutzt in der Scheune. Das war die alte Poppenhäuser Dämpfmaschine.
Da sagt man: die Bobbehüser Dämpf!
Früher gab es viele Dämpfkolonnen. Die sind nach der Kartoffelernte von Hof zu Hof gezogen und haben im großen Stil Kartoffeln für die Schweine eingekocht. Das begann so in den Dreißigerjahren. Wenn die Kartoffeln dann gar waren, wurden sie zerstampft und kamen in ein Silo. Das war dann das Futter für den Winter.
Ich habe aber gehört, dass die Schweine die Kartoffeln auch roh zu fressen kriegten.
Aber was ist das Gefährliche daran? Was hat der Winfried denn erzählt?
Wenn sie die Kartoffeln roh fressen, werden sie
irgendwann geschlachtet.
Nein, Erika, warum sind die rohen Kartoffeln schädlich für die Tiere?
Ja, das ist, weil ... ach, wie heißt das jetzt?
Ja, du kommst auf den Punkt ... fast ...
Wenn das zum Beispiel blau ist ...
Genau, wegen der Blausäure!
Das können die nicht vertragen, die Schweine!
Heute werden die Kartoffeln aber nicht mehr für die Schweine gedämpft. Die Art der Fütterung ist gestorben. Das ist zu aufwendig. Wenn wir vom Verein Kartoffeln dämpfen, dann passiert das, wenn jetzt eine Geburtstagsfeier ansteht oder eine größere Veranstaltung wie ein Dorfjubiläum. Wir dämpfen für die Besucher und für uns selbst. Sinn und Zweck der Maschine ist für uns: Wir wollen ein bisschen Spaß haben, aber doch auch ernst bleiben und so ein bisschen das Feeling von früher haben. Wie soll ich sagen? Das ist so eine Handvoll Vergangenheit!
Damit die Maschine wieder funktioniert hat, musste sie erst mal gründlich restauriert werden. Die war total runtergekommen. Die Leute vom Verein haben wirklich von Grund auf alles neu installiert, sodass man heute sagen kann: Wir dämpfen nach alter Tradition weiter. Früher war die Maschine ein Arbeitsgerät eigentlich. Wenn man die nun heute sieht auf einem Fest, sagt man: „Wow, was ist denn das für eine geile Maschine?“ Das ist dann was für die Kultur. Das reizt die Besucher und sie haben Freude dran.
Die "Dicke Bertha" von Kerzell
Beim Andämpfen fand ich gut, dass man sich auch mal austauschen konnte mit anderen Leuten. Angefangen hat der Tag so: Der Andreas hat den Schornstein hochgekurbelt.
Der Schornstein muss immer aufgestellt werden, wie ein Segel eigentlich. Wenn wir mit der Maschine irgendwohin fahren, ist der Schornstein ja erst mal umgelegt. Man kann ja nicht mit einem acht Meter hohen Schornstein durch die Straßen fahren! Und wenn wir dann dort sind, muss als erstes der Schornstein hochgekurbelt werden.
Ohne Feuer kein Dampf
Dann hat er mit den selbstgemachten Feueranzündern das Feuer unterm Kessel angezündet.
Vorher wurde aber noch Wasser in den Kessel gefüllt. Das soll ja erhitzt werden, damit Dampf entsteht.
In der Zwischenzeit haben wir schon mal die Kartoffeln gewaschen. Da gab es eine Art Waschmaschine, da waren die Kartoffeln drin. Ich musste mit einer Kurbel die große Trommel drehen. Da hat das Wasser ganz viel geschwappt und die Kartoffeln sind immer wieder durchs Wasser durch. Als sie sauber waren, habe ich andersherum gedreht. Da kullerten die hinten raus.
Nach dem Waschen kamen sie in einen riesigen Topf, der an die Dämpfmaschine angeschlossen war. Der wird dann luftdicht verschlossen.
Kartoffeln in der Waschmaschine
Da kam aber vorher auch noch der Spargel rein, den die Frauen geschält hatten.
Stimmt, Erika! Die Kartoffeln und der Spargel müssen dann für 20–25 Minuten im Topf bleiben. Über eine Dampfzufuhr wird der Dampf aus dem Kessel in den riesigen Topf befördert. Der ist 100 Grad heiß. Das Wort dämpfen kommt ja von Dampf. Man muss sich so eine Kartoffeldämpfmaschine wie einen Schnellkochtopf vorstellen. Da schmeckt das Gemüse ja auch besser, als wenn man es im Wasser kocht.
Viele Hände, schnelles Ende
Der Winfried Witzel ist super gut drauf. Ich fand ihn schon von Anfang an sehr kompetent. Er hat seine Leute für die Sache begeistert. Als die Dämpf erneuert wurde, haben alle ganz viel Zeit mitgebracht. Der Herr Witzel hat gestaunt, weil die Leute sonst doch nie Zeit haben.
Der Herr Witzel ist auch sehr inklusionsbereit: Er gibt mir Aufgaben, was sonst keiner macht. Ich hab ja ein Handicap zum Beispiel, aber ich bin jetzt in der Mannschaft mit integriert. Und das klappt gut. Letztes Jahr hatten wir sechs Veranstaltungen, das ist jedes Mal sehr viel Arbeit. Das beginnt mit dem Aufbau und der Vorbereitung. Ich helfe viel im Service, bin Springer bei der Essensausgabe. Wenn man selbst mitgedämpft hat, kann man das dann auch gut repräsentieren bei den Leuten.
Der Verein hat 18 Leute. Es ist einfach eine schöne Heimatgeschichte. Das macht mir so einen Spaß, ich kann’s gar nicht sagen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich meinen Kollegen in die Augen schauen kann – auf Augenhöhe. Das ist echt genial. Wir ziehen uns alle an, wie es früher üblich war auf dem Bauernhof. Ich hab zum Beispiel einen Dämpferhut an, ein Dämpferhemd, eine Dämpferhose und Dämpferholzschuhe.
Die hatten die früher aber auch im Stall angehabt, das kann ich dir sagen! Wenn sie Kühe gemolken haben. Dafür gab’s keine anderen Schuhe. Die konnten sich gar keine anderen leisten, das waren ja arme Zeiten. Die haben die Schuhe selber im Winter geschnitzt.
Angefangen hat das bei mir so: Ich wollte meinen 30. Geburtstag groß feiern und wollte nicht schon wieder Buffet machen. Da kam ich auf die Idee, die Kerzeller Dämpfkolonne einzuladen und meinen Geburtstag mal so wie früher zu feiern. Zur 850-Jahr-Feier von Melters hatte ich die Dämpfkolonne entdeckt. Die standen einfach da und haben gedämpft. Da hab ich gedacht: „Super, top!“ Ich liebe alles, was mit Heimat verbunden ist. Da hab ich gleich den Anreiz verspürt, sie einzuladen und hab es auch gleich festgezurrt. Mein Papa hat mitgezogen, der kannte die schon. Dann habe ich es meiner Mama erzählt und die hat dann den Geburtstag so gestaltet. Die Dämpfmaschine stand bei unserem Nachbarn auf dem Hof. Wir haben eine große Familie, es kamen über 80 Leute. Noch am selben Tag bin ich Mitglied geworden. Ich bekam eine offizielle Urkunde. Und meine Kleider habe ich gleich als Geburtstagsgeschenk bekommen. Ich musste auch eine Prüfung hinterlegen – logisch. Ich musste die Kartoffelwaschmaschine bedienen und viele Sachen machen, das Dämpfen, das Catering, alles im Grunde genommen.
Dampfgegart schmeckt`s besser
Also liebe Leser, wenn ihr euch die Sache mal anschauen wollt, seid ihr herzlich eingeladen! Ihr könnt zum Beispiel am 1. September nach Eichenzell zum Verein Leben und Arbeiten in Eichenzell kommen. Da könnt ihr uns erleben, live in Aktion.
Also ich möchte mich da anschließen, liebe Leserinnen und liebe Leser. Es war sehr spannend, dass alles zu beobachten. Und es hat am Ende auch richtig gut geschmeckt, die Kartoffeln, der Spargel und der Krustenbraten. Den gab’s noch dazu!Ich wünsche euch auch weiterhin viel Spaß beim Lesen, und dass ihr das auch gut in den Kopf dort oben hineinbekommt. Im SeitenWechsel sind ja immer wieder Sachen drin, wo ihr Freude dran habt und wo es euch nicht langweilig wird. Wir versuchen immer wieder, andere Texte zu machen, der Andreas und ich.
Kartoffeldämpfen ist Teamsport
Wie haben auch ein Motto im Verein, das habe ich ganz vergessen: Das heißt:
„Kartoffeln und Bier, das lieben wir!“