WIR ZEIGEN`S IHNEN - Gefängnis

Unsere SeitenWechsel-Redakteure waren für Sie hinter Gittern, obwohl sie nichts verbrochen hatten. Sie konnten den Reportagetermin in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld kaum abwarten und waren dann doch froh, nach zwei Stunden wieder raus zu dürfen.

Andreas Sauer und Erika Mechler

Das war schon beängstigend im ersten Gefühl, als wir vor der Justizvollzugsanstalt standen. Wir haben bald gemerkt: Hier ist alles anders als üblich.

Wir sind bei der Anmeldung rein und haben unsere Ausweise abgeben müssen. Dann mussten wir durch so ein Gerät laufen, wo wir abgecheckt wurden – damit man nichts dabei hat, ein Gewehr oder andere Gegenstände. Das war schon komisch.

Ich fand es vor allem komisch, meinen Gürtel ablegen zu müssen.

Hinter uns haben die Türen immer „klack“ gemacht. Da wussten wir genau: Aha, jetzt sind wir drin, jetzt kommen wir erst mal nicht mehr zurück.

Mir gings genauso. Ich hab mich richtig eingesperrt gefühlt. Dieses „klack, klack“ mit den Türen, das war für mich so einsam und verlassen.

Und dann kam der Herr Dr. Gescher, der Anstaltsleiter. Der betreut die Leute und schaut, ob alles in Ordnung ist.

Er versucht, den Häftlingen die Situation zu gestalten, damit sie leben können. Es ist zwar ein eingeschränktes Leben, aber trotzdem noch vernünftig. Auch der Herr Hofmann ist mit uns gegangen, das ist ein richtiger Justizvollzugsbeamter.

Wenn die Häftlinge reinkommen, müssen sie alle privaten Sachen abgeben, bevor sie in ihre Zimmer eingewiesen werden. Sie müssen spezielle Kleidung anlegen, damit man auch sieht, dass sie ein Verbrechen begangen haben. Damit man das auch spürt.

Die Kleider sind einheitlich. Der eine so und der andere so, das geht nicht.

Als ich das mit den Kleidern gesehen habe, ging mir einiges durch den Kopf. Das Interessante ist, dass derjenige dann nicht mehr als ein Straßenkind anzusehen ist, sondern dass er aus der Freiheit entbunden worden ist. Zurzeit sind 370 Gefangene in Hünfeld im Gefängnis. Das ist nicht so viel. Es passen über 500 rein. Warum das im Moment so wenig ist, kann sich keiner erklären. 

Wir haben uns dann eine Zelle angeschaut.

Die sagen „Haftraum“ dazu, Erika.

Stimmt. Wenn man da drin ist und guckst raus, da hast du das Gitter vor dir. Das fand ich nicht gut.

Die Größe von so einem Haftraum ist minimal, das ist erschlagend. Da guckst du aus dem Fenster raus und überlegst: „Was hab ich jetzt verbrochen? Hätte ich das bloß gelassen!“ Das war schon traurig. Die sind ja ausgegrenzt, also von ihrem Lebensstil entzogen worden. Ich glaube, das Eingesperrtsein ist eine Behinderung
für die Seele. Die sind ja auch behindert in ihrem Leben.

Im Haftraum ist ein Bett mit einer Matratze. Die dürfen ihre Fernseher mitbringen und können die Programme gucken, also, was sie gerne wollen. Nur so gefährliche Sachen wie Krimis, das dürfen die, glaube ich, nicht gucken, dann kommen sie ja wieder auf dumme Gedanken!

Im Haftraum haben sie auch einen Kühlschrank und ein Regal. Und eine Nasszelle. Das Fernsehen ist wichtig, weil sie etwas von der Welt sehen sollen. Deswegen haben sie auch Zeitungen und Radio. Aber Computer, das dürfen sie halt nicht. Whatsapp, Facebook oder Twitter geht nicht, damit sie sich nicht wieder an die Freiheit gewöhnen.

Genau!

Da würden sie draußen die Freunde anklicken, das kann dann gefährlich werden. Handys sind auch verboten, das ist ganz streng. 
Im Gefängnis gibt es einen Tante-Emma-Laden. Da können sie einkaufen oder bestellen, was sie brauchen. Eine Bücherei haben sie sogar, da können sie sich Bücher aufs Zimmer bestellen. Dann gibt es noch einen Mehrzweckraum, da stehen auch Musikinstrumente. Das fand ich interessant, dass die Häftlinge Musik machen untereinander. Ich würde gern mal wissen, ob es nur so trostlose Lieder gibt oder auch fröhliche.

Und dann gibt es da diese Anstaltswerkstätten mit Ton-, Metall-, Holz- oder Steckdosenarbeiten. Für die Häftlinge ist das die Lebensaufgabe. Sieben Stunden müssen sie arbeiten.

Komisch ist, dass die pro Tag nur 10 Euro kriegen. Pass auf! Der Witz ist ja, wenn sie dann nichts mehr haben, haben sie Pech gehabt.

Sie müssen halt mit dem Geld umgehen können. Es gibt aber auch nur den Tante-Emma-Laden, so viel ausgeben können sie nicht. Aber für 10 Euro müssen die Häftlinge ganz schön rackern. Eine Stunde am Tag haben sie Freigang. Da können sie sich ein wenig erholen an der frischen Luft.

Da machen sie immer dieses Krafttraining an einem Gestell. Der eine Mann hat sich immer an einer Stange hochgedrückt.

Ach so, der Sportwürfel. Die bauen sich da gegeneinander auf und zeigen so ihre Größe. Die machen sich stark. Die Anstaltsleitung stellt diese Geräte dahin, damit sie motiviert werden. Und damit sie sich müde machen für die Seele.

Die haben auch einen richtigen Kraftraum, heben Gewichte hoch. Ich denk immer, dass Sport irgendwie beruhigt. In der Sporthalle war noch Tischtennis …

…und Basketball oder Fußball. Der Herr Hofmann hat gesagt, dass die Häftlinge immer nur Heimspiele haben. In einem richtigen Stadion hat man ja Heimspiele und Auswärtsspiele, aber die können hier ja nie raus. Also gibts nur Heimspiele, sonst nix!

Das fand ich auch lustig.

Nach der Arbeit gibt es noch mal zwei Stunden frei, so eine Art Geselligkeitsrunde auf der Gruppe. Da kochen sie manchmal in einer kleinen Küche. Normalerweise bekommen sie das Essen ja auf einem Tablett gebracht.
Was die Häftlinge auch haben, ist eine eigene Kapelle. Die können also in die Kirche gehen.

Mich wundert, dass die in der Kirche nicht auch so einen gemischten Chor haben wie wir im Antoniusheim. Bei denen ist das so eintönig. Gut, die haben Instrumente, aber da fehlt schon was, wenns keinen Chor gibt.

Das geht nicht, weil die Häftlinge nur kurz da sind, nur zehn Monate normalerweise.

Mit der Kirche, das ist schon gut. Wenn die was Unrechtes gemacht haben, können sie das hier wiedergutmachen. Wenn sie das beichten und bereuen. Und das sollten die auch machen.

Es gibt auch Suchtkranke da drin, die sind drogenabhängig und alkoholabhängig auch. Die Frau Astrid Gebauer ist dafür zuständig. Die versucht, die Leute quasi zu motivieren.

Die werden unterstützt, damit sie nicht gleich wieder in Versuchung kommen, die Drogen in sich reinzunehmen.

Es gibt sogar die Möglichkeit, die Haftzeit zu verkürzen, wenn sie in eine Spezialklinik gehen, damit das mit den Drogen abgeschafft wird. Das müssen sie aber richtig machen. Für ihre Gesundheit. Wenn sie das nicht richtig machen, kommen sie wieder zurück in die Haftanstalt.

Die Gefangenen dürfen nur zwei Mal im Monat Besuch haben.

Die Besucher kommen in eine große Halle, da stehen viele Glastische. Wachleute beobachten das.

Ja, und bei den Füßen war auch noch mal Glas dazwischen, damit sie sich nicht untereinander etwas drunterschieben können, Essen z. B. oder andere Sachen, auch kein Messer.

Auch keinen Alkohol oder Drogenzeug.

Genau, die dürfen ja keinen Alkohol trinken. Aber Wasser. Und Schorle.

Klar, aber Alkohol ist tabu.

Aber Rauchen ist erlaubt.

Wobei ich dazu sagen muss: Das habe ich nicht ganz verstanden, das ist doch auch Suchtabhängigkeit
eigentlich.

Und das ist nicht gut für die Lunge.

Es gibt ja Kettenraucher bei den Häftlingen, die rauchen dann vielleicht fünf Päckchen am Tag. Dass die das zulassen.... Aber man muss Kompromisse eingehen natürlich.

Für Familien gibt es Besuchsräume mit einer Kinderecke. Da können die spielen.

Das finde ich ein bisschen leblos für die Kinder.Das muss denen doch an die Nerven gehen. Wennman zwei Kinder hat und wird gefangen genommen,weil man was verbrochen hat – was denkendie Kinder dann? Für die tut es mir Leid. Aber fürdie Gefangenen ist es halt nun mal so. Ich habeja auch schon mal die Hausfriedensordnung vom Antoniusheim nicht eingehalten. Das war auch ein bedrückendes Erlebnis. Also, ich möchte kein Verbrecher sein.

Mein Wunsch war, mal allein für eine halbe Stunde eingesperrt zu sein, um zu fühlen, wie so ein Häftlingsleben ist. Das durfte ich aber nicht, aus Sicherheitsgründen. Schade. Ich durfte auch nicht mit den Gefangenen sprechen. Ich wollte halt mal in den Austausch gehen; wie sie sich fühlen. Ich wollte ja keinen beleidigen, sondern einfach von Mensch zu Mensch, also aus dem Bauch heraus fragen. Aber das wird grundsätzlich nicht erlaubt. Wir haben mal zwei Gefangene auf dem Hausflur gesehen, das war okay. Wir haben „Guten Morgen!“ gesagt. Die sind freundlich gewesen, auch zu Besuchern. Das war ein schönes Gefühl. Also ich möchte mich beim Herrn Dr. Gescher bedanken für die super Führung. Es war sehr interessant, zu sehen: Wie lebt man so ein Leben? Danke, dass Sie sich für so einen Knastbesuch die Zeit genommen haben und uns auch den Luftraum gegeben haben, unsere Fragen zu stellen – das ist ja nicht alle Tage. Und auch danke bei Herrn Hofmann, der war richtig nett auch.

Also ich schließe mich da an. Man konnte alles aufnehmen; und wenn man mal was nicht verstanden hat, dann hat er uns das noch mal erklärt in deutscher Sprache, also in leichter Sprache.

Und viele Grüße auch an Euch, liebe Häftlinge!


Eure SeitenWechsel-Redakteure,

Erika Mechler und Andreas Sauer

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